Alice Schwarzer schreibt

Ein Königreich für alle Frauen?

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"Ein Königreich für eine Frau" - so titelte ein Kölner Boulevardblatt. "Maggie hat es geschafft!" jubelten, schon familiärer, englische Journalisten. Man schrieb den 3. Mai 1979. Erstmals in der Geschichte Europas wurde eine Politikerin in die höchste Machtposition gewählt. Doch Margaret Thatcher, Tochter eines Gemischtwarenhändlers, Ehefrau eines Industriellen und Mutter zweier Kinder, wird nicht unbequem sein. Sie ist eine Konservative, ist gegen die Straffreiheit von Abtreibung und für die Todesstrafe. In ihrem Kabinett ist nur eine einzige Frau: Sally Oppenheimer, Ministerin für Konsumenten.

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Und wir, die Feministinnen? Was sagen wir? Meine erste Reaktion war: mich drücken. Ein bisschen peinlich, das ganze. Ausgerechnet Thatcher... Doch dann begriff ich: Margaret Thatcher ist der erste, rechtmäßig und nur aufgrund ureigenster Verdienste gewählte Premier! Also doch ein feministischer Sieg? Nein. Denn Frausein alleine genügt nicht. Schließlich ist die biologische Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht noch kein Programm.

Doch wenn ich schon unter Tories zu wählen habe, so ist mir die Lady lieber als ein Mister. Nicht etwa, weil sie mir persönlich sympathischer wäre. Auch nicht, weil ich denke, dass sie als Frau eine „menschlichere Politik" (wie es so gerne heißt) machen wird, denn ich glaube nicht an das An-sich-Gute in den Frauen. Und schon gar nicht, weil ich hoffe, dass Margaret mehr für Frauen tun wird, denn gerade das kann sie als Frau sich an diesem Platz noch weniger erlauben als ein Mann.

Nein, das alles ist es nicht. Sie ist mir einfach lieber, weil sie – ob sie will oder nicht – trotzalledem etwas Gutes für Frauen bewirken wird: Allein ihre Existenz macht das bisher Unerhörte plötzlich denkbar. Ja, auch eine Frau kann wichtige politische Aufgaben übernehmen, sogar die wichtigsten. Dass die zielstrebige Margaret Thatcher diesen Schritt getan hat, könnte andere Frauen ermutigen.

Auf dieses Bild darf frau sich freuen. Gipfeltreffen auf den Bahamas oder wo auch immer: Herr Schmidt, Herr Giscard d'Estaing, Herr Carter – Frau Thatcher. Die großen Töne werden dieselben bleiben, die kleinen aber werden sich leicht ändern. Schwer vorstellbar, dass die Herren sich auch dann noch sogenannte "Herrenwitze" des Stils erlauben, wie er vom damaligen Außenminister Callaghan kolportiert wird, der Kissinger nach einem Arbeitsfrühstück mit der damaligen Parteiführerin Thatcher jovial fragte: "Na, haben sie das Girl geküsst?"...

Auch Margaret Thatcher selbst sind die üblichen Sprüche nicht erspart geblieben. Auch sie musste ihre Dennoch-"Weiblichkeit" immer wieder unter Beweis stellen. Noch duftigere Locken, noch pastellfarbenere Kleider und ein nimmermüdes Posieren mit Besen, Kochtopf und Einkaufsnetz – es half alles nichts: weiblicher Erfolg auf ihrem Terrain wird von den Herren der Schöpfung nun mal als uncharmant empfunden. "Diese Frau hat ein gestörtes Verhältnis zur Natürlichkeit", stellte darum auch prompt die Welt fest.

Auch in England muss eine Politikerin eben nicht nur mindestens so tüchtig sein wie ein Mann, sondern hat dabei auch noch immer schön Frau zu bleiben. Wie sie das schafft? – ihr Problem. Auffallend allerdings ist, dass ausgerechnet eine Konservative es schaffte. Eine aus dem traditionellen Lager also, wo die heile Welt und die Frau als Hüterin von Heim und Herd noch in Ehren gehalten werden. Ebenso auffallend, dass es auch in der Bundesrepublik Frauen, die selbstbewusst nach Höherem streben, in der CDU zum Beispiel etwas leichter haben als in der sich als emanzipationsfreundlich präsentierenden SPD.

Wie kommt das? Es gibt ein ganzes Bündel von Gründen: Konservative Politiker/innen wirken nicht ganz so provozierend, denn: wenn schon Frau, dann wenigstens Verfechterin der guten alten Ordnung und nicht Streiterin für Emanzipatorisches — das ist dann doppelt unverzeihlich. Konservative Politiker haben das Ausmaß der neuen Forderungen von Frauen offensichtlich noch nicht ganz erfasst und verharren manchmal in der gönnerhaften Attitüde väterlicher Galanterie. Progressive Politiker schließlich sind oft noch selbstgerechter als konservative.

Doch gibt es auch im Lager der Altväter ein paar Wachsame. So kündigte die Welt die Vision der Doppel-Regentinnenschaft (zusammen mit Königin Elizabeth) und den Ausbruch des Matriarchats in England an... "Bislang ließen sich vor allem kleine Jungen vor der wohl berühmtesten Haustür der Welt (dem englischen Premierminister-Sitz Downing Street No 10, d. Red.) photographieren, nicht selten von heimlichen Zukunftsträumen der Eltern dorthin geschoben. In Zukunft werden sich wohl auch kleine Mädchen mehr als bisher vor der Tür aufbauen." Das schrieb der Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, und er hat wohl recht damit.

Maggie, die "es geschafft" hat, ist eine Ausnahme und wird es auch vorläufig bleiben. Aber sie zeigt Frauen, dass die Sterne am Himmel eigentlich auch für das weibliche Geschlecht nicht zu hoch hängen. Kein Königreich für alle Frauen, aber eine Ermutigung.

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