Amy Schumer: Die Zweideutige
Die amerikanische Sportsbar-Kette „Hooters“ hat ein einfaches Konzept: Brüste & Bier. Erstere gehören leicht bekleideten Kellnerinnen, die letzteres männlichen Gästen servieren.
Wie würde ein „Hooters“ für Frauen aussehen? Glaubt man Amy Schumer, hieße es „Nutters“. Statt Brüsten und Bier gäbe es dort, nun ja, Nüsse (nur verhüllt von einer dünnen Schicht Spandex) und Weißwein. Erstere gehörten den unverhohlen mit der Kundschaft flirtenden, extrem unattraktiven Kellnern, die möglichst breitbeinig ihr Gemächt präsentieren. Das ist die Logik des Amy-Universums.
Eine Blondine aus der Upper East Side, die so drauf ist?
Der „Nutters“-Sketch ist typisch für die Sendung „Inside Amy Schumer“, eine Mischung aus Sketchen, Stand-Up-Comedy und Interviews. Die Show läuft bereits seit 2013 beim US-Sender Comedy Central, aber erst seit Beginn der dritten Staffel im April ist an Amy Schumer in den USA kein Vorbeikommen mehr. Fast wöchentlich wird ein von ihr geschriebener Sketch zum viralen Hit. Zum Beispiel „Last Fuckable Day“, von dem auch die ein oder andere deutsche Social-Web-Nutzerin gehört haben dürfte. In dem Sketch feiert die 54-jährige Schauspielerin Julia Louis-Dreyfus befreit den Tag, an dem „die Medien entschieden haben, dass mich keiner ernsthaft mehr vögeln würde“. Warum nicht? Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Patricia Arquette und Tina Fey erklärt Louis-Dreyfus in dem Schumer-Sketch, es sei soweit, wenn Remakes der eigenen Filme mit einer jüngeren, attraktiveren Version von sich selbst produziert würden. „Genau“, lächelt Arquette (die bei der letzten Oscar-Verleihung mit einem Plädoyer für mehr Gleichberechtigung im Filmbusiness provozierte), „Sie drehen gerade ‚Boyhood‘ mit Selina Gomez in meiner Rolle.“ Gomez, ein Disney-Geschöpf, ist Jahrgang 1992.
Es sind Sketche wie dieser, für die US-Medien Amy Schumer als eine Art feministische Heroine feiern. Laut Time ist die 34-Jährige eine der hundert einflussreichsten Personen des vergangenen Jahres.
Wie hat Schumer es dahin geschafft? Nach einer Schauspielausbildung begann sie 2004 im szenebekannten New Yorker Gotham Comedy Club mit Stand-Up-Auftritten. Entdeckt wurde sie 2007 in der NBC-Talentshow „Last Comic Standing“, in der sie allerdings nur vierte wurde. Ein paar Jahre und viele Gastauftritte später, unter anderem bei Lena Dunhams „Girls“, war die Zeit offenbar endgültig reif für Schumers sehr speziellen Humor: schmutzig, respektlos und selbstironisch bis zur Schmerzgrenze.
In quasi allen ihren Sketchen geht es um Frauen und Männer, in vielen um Sex. Zentral ist die Frage, wie „fuckable“ Amy Schumer eigentlich selbst ist. In einem Sketch der zweiten Staffel werden Männer gefragt, wie witzig sie „Inside Amy Schumer“ finden. Die Urteile rangieren von „Hintern könnte besser sein“ bis „Würde sie vögeln“.
Amys jubelnde Reaktion auf dieses Ergebnis: „Einige von denen würden mich also wirklich vögeln?!“ Kein Stand-Up-Programm, kein Sketch, kein Late-Night-Interview, in dem Amy Schumer nicht immer wieder erzählt, sie sei eine Schlampe, sie besaufe sich gern und habe Dehnungsstreifen am Hintern. Normalerweise lächelt sie danach wimpernklimpernd ins Publikum: Na, was sagt ihr jetzt? Hättet ihr gedacht, dass eine ganz normal aussehende Blondine aus der Upper East Side so drauf ist? Ich könnte eure Tochter sein!
Manchmal wirkt sie dabei wie der Klassenclown, der sich selbst auf die Schippe nimmt, damit es die anderen nicht tun. Soweit Schumers Kunstfigur. Die echte Amy schreibt mit eben diesen Sketchen gegen ihre Erniedrigung zum Sexobjekt an. „Feminismus durch die Hintertür“ nennt das die Fernsehkritikerin Willa Paskin in dem Online-Kulturmagazin Slate. Schumer verstecke ihre Botschaften in Sketchen über eine dümmliche, notgeile Blondine – und schaffe es damit auch noch in renitenteste Männergehirne.
Bei Amy schalten mehr Frauen ein – und Männer schalten nicht ab
Hier und da liest man Interviews, in denen die echte Amy spricht. Das klingt dann so: „Ich habe ungefähr mit zwei Dutzend Männern geschlafen. Keine Ahnung, ob das normal ist.“ Oder: „Ich denke, man sollte es nicht übertreiben und wie Samantha aus ‚Sex and the City‘ rumlaufen – aber man sollte seine Sexualität ausleben und es genießen können. Auch als Frau.“ So weit, so wahr. Wenn „Inside Amy Schumer“ läuft, schalten mehr Frauen den Comedy-Sender ein – und die Männer schalten nicht ab. Denn Amy Schumer macht sich über beide Geschlechter gleichermaßen lustig.
Die ewige Frage der Medien lautet dank Schumer und Kolleginnen inzwischen nicht mehr, ob Frauen komisch sein können – sondern: Ob Feministinnen komisch sein können. Jaaa!, jauchzen die Kulturjournalisten, und zeigen auf Amy Schumer. Und Amy Schumer wackelt lustig mit den Augenbrauen. Vielleicht schafft sie es ja demnächst auch mal durch die Vordertür.
Helene Pawlitzki