Palmyra, einst Metropole der Frauenmacht

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Die Einnahme Palmyras durch die IS-Dschihadisten hat auch in der arabischen Welt helles Entsetzen ausgelöst. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Figur der ­Zenobia, der legendären Königin von Tadmur – so lautet die arabische Bezeichnung für die Stadt –, seit Jahrhunderten auf arabische Autoren eine ungebrochene Faszination ausübt. Schon die ersten arabischen Historiker, von denen sie den Namen Az-Zabba erhielt, widmeten ihr ganze Kapitel, in denen sie als tapfere und gebildete Herrscherin beschrieben wurde. 

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Zenobia ver-
körpert alles, was die Isla-
misten hassen

Zenobia wurde in literarischen und populärhistorischen arabischen Darstellungen zu einer antiimperialistischen ­Rebellin verklärt, deren Befreiungskampf gegen die römischen Unterdrücker als Sinnbild für die nationalen Aspirationen der Araber aufgefasst wurde. Auch die aufkeimende arabische Frauenbewegung entdeckte die mutige, der Überlieferung nach sagenhaft schöne und in mehreren Sprachen bewanderte Königin für sich. 

In ägyptischen wie syrischen Frauenzeitschriften wurde Zenobia noch bis in die dreißiger Jahre als Vorbild für die moderne patriotische arabische Frau gefeiert. Um sich von der zunehmenden Kommerzialisierung und Romantisierung Zeno­bias in der westlichen Unterhaltungs­industrie abzugrenzen, griffen arabische Journalistinnen gerne auf ihren arabischen Namen Az-Zabba zurück.

Auch während der Blütezeit des Pan­arabismus blieb die sagenumwobene ­Herrscherin Tadmurs eine beliebte Projektionsfläche säkularer arabischer Selbstfindung. Besonders in Syrien nutzte das Baath-Regime Hafiz al Assads sie als Ikone, um seiner Version eines weltlichen arabischen Nationalismus zusätzlich Geltung zu verschaffen. Der propagierte gleichzeitig die Emanzipation der arabischen Frau, zumindest nach außen hin. Die Inszenierung Zenobias als arabische Urheldin und damit auch Syriens als erster bedeutender vorislamischer arabischer Staat diente hier auch der Festigung des Führungsanspruchs von Damaskus in der Region. 

Aus dieser Perspektive zeigte man ­Zenobia Anfang der 70er Jahre in einer vom Staatsfernsehen gedrehten TV-Serie. Das Bild einer unerschrockenen Kämpferin gegen das okzidentale römische Kaiserreich zeichnete 1985 mit starkem antiimperialistischem Akzent kein Geringerer als Syriens langjähriger Verteidigungs­minister, Schriftsteller und Assads rechte Hand, Mustafa Tlas. In seinem zunächst auf Arabisch und ein Jahr später auf Französisch erschienenen populärhistorischen Buch „Zenobia, Königin von Tadmur“ wurden die Römer als besonders grausam dargestellt und Zenobias Rebellion zu einem arabischen Befreiungskampf gegen die römischen „Barbaren und Kolonisa­toren“ erhoben. 

Trotz der ideologisch motivierten Arabisierung ihrer Figur hielt sich Tlas an jene Passagen aus der Überlieferung in der antiken Textsammlung „Historia Augusta“, die auch der abendländischen Legendenbildung zugrunde liegen. In Syrien wurde seitdem der Zenobia-Stoff als eines der bevorzugten Narrative der Staatskultur vielfach inszeniert: als Fernsehserie, Musical, Theaterstück. Letztere wurden regelmäßig in Palmyra im Rahmen von Kulturfestivals aufgeführt, die bis zum Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs Besucher aus der arabischen Welt anlockten.

Doch den eigentlichen Aufstieg zur ersten arabischen Heroine der Geschichte erlebte Zenobia im späten 19. Jahrhundert. Gebildete Syrer und Libanesen ließen sich bei ihrer säkular-nationalistisch geprägten Identitätssuche von der sagenhaften Zenobia ­inspirieren. 1871 veröffentlichte der libanesische Schriftsteller Salim al Bustani einen historischen Roman über die Palmyrenerin. 

Gebildete Syrer und Libanesen ließen sich von ihr inspirieren

Drei Jahre später stilisierte der Gründungsvater der nationalen syrischen Historiographie, Ilyas Matar, in seinem grund­legenden Werk über die Anfänge des syrischen Königreichs die Epoche des Palmyrenischen Reiches unter Zenobia zur Wiege des syrischen Volkes. Aus Furcht vor der osmanischen Zensur hatte er jedoch Anspielungen auf autonome Bestrebungen seiner Landsleute unterlassen müssen. Vom Joch der Osmanen durch den Ersten Weltkrieg befreit, war den Arabern aber noch lange nicht die politische Freiheit vergönnt, denn an die Stelle der Türken traten nun vielerorts westliche Mächte.

Bei aller arabisch-patriotischen Stilisierung der legendären palmyrenischen Königin blieben die säkularen syrischen Autoren letztlich der abendländischen Überlieferung weitgehend treu, womit sie Weltoffenheit signalisierten. Es sind gerade diese Elemente einer modernen säkularen arabischen Kultur, die die Dschihadisten des „Islamischen Staats“ auslöschen wollen. Jüngste arabische Kommentare sind deshalb bewusst mit Titeln wie „Zenobia, Gefangene der Dschihadisten“, aber auch „Zenobia kämpft gegen den IS“ überschrieben.

Joseph Croitoru; der Artikel erschien zuerst in der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Aktualisierte Einleitung: EMMA.

Weiterlesen
"I love Jihad - Frauen von Wien bis Washington im 'Heiligen Krieg'" in EMMA September/Oktober 2015, ab 27. August am Kiosk.

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Islamischer Staat: "Sex-Dschihad" an der heiligen Front

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Eine Reihe Frauen, an den Händen gefesselt, verhüllt unter schwarzem Tuch. Der von der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) in Syrien und dem Irak verfolgte Genozid ist auch ein Feminizid. 4.000 Kilometer trennen uns von Mossul, einer der Städte, in denen heute Frauen auf Märkten als Sklavinnen verkauft werden.

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Fatwas verbieten Frauen, aus dem Haus zu gehen

Der Beginn des Krieges in Syrien im Jahr 2011, der sich nun auch im Irak ausgebreitet hat, markierte für die Frauen in dieser Region eine Steigerung von Gewalt und Unterdrückung aufgrund ihres Geschlechts. Es werden Fatwas erlassen, die Frauen verbieten, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen und ihnen vorschreiben, sich ganz zu verschleiern. Frauen werden entführt und auf Sklavenmärkten verkauft. Frauen werden zur Prostitution gezwungen, um den Dschihadisten von IS (Islamischer Staat) als Sexsklavinnen zu dienen. Oder ihnen wird der Eintritt ins Paradies versprochen. Frauen werden ermordet oder in den Selbstmord getrieben.

Aufgeschreckt wurde die internationale Öffentlichkeit durch die Massaker, zu denen es in Folge der Einnahme der vor allem von kurdischen EzidInnen bewohnten Region Schengal durch den IS am 3. August 2014 kam. Nach Angaben der Vereinten Nationen führten diese Angriffe in der Provinz Ninive zu einer Massenflucht von etwa 200.000 Menschen; regionale Berichte sprechen von bis zu 300.000. Andersgläubige werden aus vermeintlich religiösen Gründen vom IS regelrecht abgeschlachtet.

Die britische Tageszeitung The Independent berichtet, dass ChristInnen in Mossul gezwungen werden, zum Islam zu konvertieren, eine spezielle Steuer zu entrichten haben oder gegebenenfalls auch getötet werden. Anfang August wurden in der Region um Schengal 3.000 bis 4.000 Menschen hingerichtet, einzeln oder auch als öffentlicher Massenmord. Weitere 5.000 Menschen wurden entführt, darunter mindestens 1.500 bis 2.000 Mädchen und Frauen.

Frauen werden 
als vogelfrei
erklärt

Sie werden als halal (arabisch: erlaubt) erklärt, was einem Vergewaltigungsaufruf gleichkommt. Im Internet finden sich Bilder, auf denen zusammengekettete, vollverschleierte Frauen zu sehen sind, die als Sklavinnen wie Ware verkauft oder den IS-Terroristen zur sexuellen Ausbeutung übergeben werden. Am 18. Juni 2014 erklärte in Mossul eine Fatwa der IS, dass auch Frauen und Töchter aller für Maliki arbeitenden Soldaten und Polizisten halal seien. 

Augenzeugen berichten von Fällen, in denen IS-Terroristen Frauen, die sich nicht ergeben haben, die Brüste abgeschnitten und ihre Körper zerstückelt haben. Um diesem Schicksal zu entgehen, wählten Hunderte Frauen den Selbstmord.

Viele der neuen Fatwas richten sich gegen Frauen. Dabei geht es darum, wie sie sich zu kleiden haben, aber auch um Strafmaße bei so genannten Vergehen wie z.B. Ehebruch, wofür empfohlen wird, die Frauen zu steinigen. International Business Time berichtete in diesem Zusammenhang von einer Steinigung in Syrien. Eine Fatwa vom 26. Juni 2014, die in einem turkmenischen Dorf in Syrien erlassen wurde, sieht vor, dass Frauen ohne männliche Begleitung das Haus nicht verlassen dürfen, ihr Gesicht vollkommen zu verschleiern haben, und dass sie alle zu beschneiden sind. Über die IS-kontrollierten Gebiete im syrischen Deir Ezzor wird berichtet: „Frauen ist es komplett verboten, ihre Augen zu zeigen.“ Ihnen wird vorgeschrieben, wie ihre Unterkleidung beschaffen sein muss und „ihnen ist verboten, hohe Absätze zu tragen.“ Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet von ähnlichen Vorschriften für die Frauen in Mossul.

Der „Sex-Dschihad“ wurde bereits 2013 öffentlich. Anfangs wurde vor allem von tunesischen jungen Frauen berichtet, die als Sexdienerinnen in die Kriegsgebiete gerufen, dort massenhaft vergewaltigt wurden und schwanger und vermutlich hochgradig traumatisiert nach Hause zurückkehrten, um dort die zukünftigen Märtyrer zu gebären, zu verpflegen und zu erziehen. Mittlerweile jedoch gibt es auch Informationen über junge Frauen aus Europa, die in den „heiligen Krieg“ ziehen, um der sexuellen Befriedigung männlicher Gotteskrieger zu dienen und ihren Körper für das „ewige Leben zu opfern“.

Zitiert wird immer wieder eine Fatwa aus dem Jahre 2013 von Sheikh Mohamad al-Arefe, einem saudischen Anhänger des Wahabismus, in der sunnitische Frauen aufgerufen werden, durch den Sex-Dschihad die Mudschaheddin gegen das syrische Assad-Regime zu unterstützen. IS fordert nun auf Grundlage dieser Fatwa Familien dazu auf, ihnen ihre Töchter zu übergeben. Der Daily Mirror berichtet am 22. Juni 2014: "Flugblätter in den besetzten Städten Mossul und Tikrit fordern, dass Frauen sich am Dschihad beteiligen müssen (…) und dass sie sich reinwaschen [von Sünden] indem sie mit den Kriegern schlafen. Diejenigen die dies ablehnen, missachten Gottes Willen und werden geschlagen oder getötet.“

Medien berichten über Sklavinnen-Märkte in Mossul

Andere Berichte berichten von öffentlichen Plakaten von Mossul: „Wir rufen alle Menschen dieses Landes dazu auf, uns ihre unverheirateten Mädchen zu bringen, so dass sie ihre Pflicht im Sex-Dschihad für die kämpfenden Brüder in der Stadt erfüllen und jeder, der dies nicht tut, wird die Macht der Scharia zu spüren bekommen.“

Seit Kurzem kursiert ein Bild in den Medien. Es zeigt den ersten Sklavinnen-Markt in Deir ez-Zur, einer vom IS kontrollierten Stadt in Syrien. 2011 erklärt Abu Ishaq al-Huwaini, ein salafistischer Prediger in Ägypten, dass Eigentum und Frauen Ungläubiger Kriegsbeute seien und unter muslimischen Dschihadisten verteilt oder auf Märkten als Sklavinnen oder Konkubinen verkauft werden sollten. Er bezieht sich dabei auf den Koran im Sinne von „Was deine rechte Hand besitzt…“: „Du gehst auf einen Markt und kaufst sie und so wird sie wie deine offizielle Partnerin – ohne einen Vertrag, einen Wächter oder irgend so etwas (...) In anderen Worten, wenn ich eine Sexsklavin haben möchte, dann geh ich auf den Markt und suche mir die Frau aus, die ich begehre und kaufe sie.“

Die Welt berichtete: „Mehrere hundert ezidische Frauen sind nach Angaben der irakischen Regierung von Kämpfern der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) gefangen genommen worden. Die Frauen seien allesamt unter 35 und zum Teil in Schulen der Stadt Mossul eingesperrt, sagte ein Sprecher des irakischen Menschenrechts-Ministeriums, Kamil Amin, am Freitag der Nachrichtenagentur AP (…) Auch ein US-Regierungsvertreter bestätigte der AP, dass ezidische Frauen entführt wurden und an extremistische Kämpfer verheiratet oder verkauft worden seien.“ Ebenso berichtet das UNHCR von Sklavenmärkten, auf denen Frauen verkauft werden.

Mitte Juli wurde durch die UN-Sonderbeauftragte Jacqueline Badcock bekannt, dass der IS die genitale Verstümmelung aller Mädchen und Frauen im irakischen Mossul befohlen habe. Die Fatwa zitiert drei Hadithe (Erzählungen über das Leben Mohammeds), in denen der Prophet unter anderem sagt, die weibliche Beschneidung lasse das Gesicht der Frau erstrahlen und sei gut für den Mann. Damit begründet der Autor der Fatwa im Namen des IS-Kalifen Abu Bakr al-Bagdadi, dass alle Frauen dazu aufgerufen seien, sich beschneiden zu lassen. Aus Berichten von Menschen vor Ort ist bekannt, dass diese Fatwa von dem IS angewendet wird…

Frauen auf der Flucht landen in der Prostitution

Auch wenn es ihnen gelungen ist, vor dem IS-Terror zu fliehen, so ist die Situation von Flüchtlingsfrauen in den angrenzenden Ländern und in Flüchtlingslagern prekär. Aufgrund der Notlage, in der sie leben, werden Frauen und Mädchen zur Heirat bzw. Prostitution verkauft. Flüchtlinge sind „billig“, d.h. auch dem Frauenhandel schutzlos ausgesetzt. Die DGVN (Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.) berichtete bereits 2013 von syrischen Flüchtlingsfrauen in Camps in Jordanien, die sich auf dem dort blühenden Sexmarkt prostituieren und über die vermeintlich einzige Einkommensquelle der Frauen.

Eine Reportage im NDR beschreibt, wie junge syrische Frauen in Jordanien für ein, zwei Monate verheiratet werden, ihnen Brautgeld gezahlt wird, vielleicht ein- bis zweitausend Dollar und sie dann wieder geschieden werden: Ehe bzw. Prostitution auf Zeit. „Alle wissen, dass das, was hier passiert, falsch ist. Aber es ist eben Krieg.“ sagte eine Mutter, deren damals 15-jährige Tochter für einen Monat an einen 70-jährigen Saudi verheiratet wurde. Es wird auch von einer islamischen Hilfsorganisation berichtet, die vor allem dann Hilfspakete ausgibt, wenn ein schönes Mädchen im Tausch gegeben wird. Ausländische Männer, vor allem reiche und alte Saudis, sind hier auf Brautsuche und nehmen gerne auch Minderjährige, wie die Dokumentation über die 16 und 17 Jahre alten Mädchen zeigt. Als Heiratsvermittler agiert in diesem Fall die islamische Hilfsorganisation. Und wie immer bei Prostitution ist sie überhaupt erst möglich, da sie gesellschaftlich akzeptiert ist, d.h. dass es Männer gibt, die sie fordern.

Zusammengetellt von der Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e.V.

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