Amsterdam: Die Exilantin
Denn der Geheimdienst hat eine Art Cyber-Army aufgestellt, die vermeintliche DissidentInnen online und auf der Straße verfolgt. Einige internationale Nachrichtenseiten und auch Soziale Netzwerke wie Facebook sind ganz blockiert, andere Online-Plattformen in Teilen. Seit fünf Jahren hat Mahsa ihre Familie in Iran nicht mehr besucht. Es wäre zu gefährlich – für sie und für die anderen. Das hatte die 25-Jährige nicht kommen sehen, als sie sich im Jahr 2012, nach ihrem Studium der Iranischen Geschichte an der Universität Toronto einer Gruppe anschloss, die sich für Internet-Freiheit in Iran einsetzte; unter anderem, indem sie IranerInnen darin unterstützte, die Internet-Blockaden im eigenen Land zu umgehen. Heute macht Masha in Amsterdam ihren Master über die „Informationskontrolle in Iran“ und arbeitet für die Online-Portale Global Voices und Iran Voices. Sie sagt: „70 Prozent der iranische Internetnutzerinnen und Nutzer verwenden solche Umgehungswerkzeuge gegen Online-Blockaden“. So entwickelt sich sogar in Teheran eine kleine Startup-Szene. Mahsa nennt all das „Seelensuche.“
Was bedeutet Seelensuche für dich?
Zu verstehen, wo ich herkomme. Ich habe als Mädchen sehr viel Zeit mit meinen Großmüttern in Iran verbracht. Die Mutter meines Vaters ist sehr religiös. Sie trägt immer einen Hidschab. Sie ist Analphabetin. Aber trotzdem ist sie eine sehr starke Frau und hat acht Kinder groß gezogen, die heute alle im Ausland leben. Meine Großmutter mütterlicherseits ist eine hoch gebildete, weltliche Frau. Sie ist in Europa zur Schule gegangen und hat in Italien studiert. Sie hat zwei Kinder großgezogen und gleichzeitig Karriere gemacht. Sie war es auch, die mir Persisch und die iranische Geschichte nähergebracht hat. Beide Frauen haben mich stark beeinflusst.
70 Prozent der iranischen Internet-
nutzerInnen umgehen die Online-Blockaden
Wir würdest du die jetzige Situation der Frauen in Iran beschreiben?
Widersprüchlich. Einerseits gibt es viele feministische Aktivistinnen. Es gibt Frauen, die studieren, sich einen guten Job suchen und gut verdienen. Andererseits, und das wiegt schwer, behaupten die politischen Führer in dem Land, dass Feminismus ein westliches Übel wäre und dass es keine Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen geben darf. Diese Einstellung durchdringt alles, von der Verfassung bis zur Rechtsprechung.
Frauen, die sich im Netz politisch äußern, sind immensen Risiken ausgesetzt.
Ja, die Regierung hat ja öffentlich gemacht, dass sie jetzt mit einem so genannten IRGC-Spider Facebook-Aktivitäten bis hin zu den einzelnen Likes scannen will, um politische Dissidenten zu finden. Wie genau das funktioniert, verstehe ich noch nicht ganz. Niemand weiß, welche technischen Kapazitäten sie tatsächlich nutzen. Es sind aber schon Menschen verhaftet worden deswegen.
Und welchem Risiko setzen sich Iranerinnen aus, die unter #MyStealthyFreedom Fotos posten, auf denen sie unverschleiert sind?
Bisher ist keine dieser Frauen verhaftet worden. Stattdessen haben sie eine Verleumdungskampagne gegen die Initiatorin Masih Alinedschad gestartet, die im Londoner Exil lebt. In den iranischen Nachrichten wurde berichtet, dass sie vergewaltigt worden und deswegen traumatisiert sei. Und sie sei eine Spionin für den britischen Geheimdienst. Das zeigt, dass der iranische Staat begriffen hat, wie einflussreich eine solche Aktion ist. Und auch: Was viele Iranerinnen über das Kopftuch denken.