May: Premierministerin & Feministin

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„Für mich bedeutet Feminismus faire Bedingungen und Chancengleichheit für beide Geschlechter“, erklärte die 59-Jährige wenige Tage vor Amtsantritt in einem Interview mit Sky News.

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Für mich be-
deutet Feminis-
mus Chancen-
gleichheit

Als Theresa May 1997 ins Unterhaus gewählt wurde, war sie eine von 13 Frauen neben 152 Männern auf den grünen Bänken der konservativen Torys. Acht Jahre später gründete sie eine Initiative für mehr Frauen im Parlament: Women2Win! Heute sind immerhin 49 Tory-Abgeordnete weiblich. Und es wird erwartet, dass Mays Kabinett die von ihr erhoffte Geschlechtergerechtigkeit spiegeln wird.

Auffallend ist der elegant-extravagante Stil der neuen Staatschefin: vom mutigen Modeschmuck über ihre nie langweiligen Kleider bis zu ihren gewagten Schuhen, gerne im Tigermuster. Damit bringt die Britin eine neue Farbe in die Riege der Staatschefinnen: neben dem unprätentiös-pragmatischen Jackett-Hosen-Stil von Angela und den zu erwartenden leuchtfarbenen Beton-Kostümen von Hillary jetzt also die selbstbewusste Extravaganz von Theresa.

Wie aber steht es mit der Politik? May wird als „linke Konservative“ bezeichnet. Die Pfarrerstochter hat zwar nach einem Geographiestudium bei der Bank of England gearbeitet (und ist auch mit einem Banker verheiratet), sie hat sich aber als Innenministerin – sechs Jahre lang ohne Fehl und Tadel - als sozial engagiert positioniert.

Wir glauben
nicht nur an
Märkte, sondern auch an Ge-
meinschaften

„Wir glauben nicht nur an Märkte, sondern auch an Gemeinschaften“, erklärte May in einer vielbeachteten Rede. „Wir glauben nicht nur an Individuen, sondern auch an die Gesellschaft.“ Sie ist also eine Art Anti-Thatcher. Dennoch stiegen nach ihrer Ernennung die Aktienkurse in Großbritannien. Die Wirtschaft scheint sich also ebenfalls gut aufgehoben zu fühlen bei Theresa May.

Der Vergleich mit Merkel liegt nahe: Beide sind Pfarrerstöchter, beide gelten als Vernunftpolitikerinnen und sachorientiert. Auf die erste Begegnung von Merkel und May freute sich die ARD-Journalistin Hanni Hüsch bereits wenige Stunden nach deren Ernennung. Die London-Korrespondentin kommentierte in den Tagesthemen strahlend die News mit den Worten: „Doppel-M, übernehmen Sie!“

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Alice Schwarzer schreibt

Merkel: Das Konzept Gleichheit

© Beescoop.com
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Gleiche Schuhe, gleiche Schirmkappe, ähnliche Hosen. Und die karierte Bluse vom letzten Jahr... und vorletzten... und vorvorletzten. Aber das ist nicht gestrig. Und schon gar nicht peinlich. Das ist einfach angemessen.

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„Sie spielt das Spiel einfach nicht mit, das von Frauen auf dieser Ebene erwartet wird, perfektes Makeup, teure Designerkleider“, schwärmte jüngst die englische Kulturwissenschaftlerin Angela McRobbie. „Und sie ist sogar sehr resolut darin, nicht zu lächeln. Für mich verkörpert sie all das, wofür der Feminismus gekämpft hat.“ Recht hat McRobbie. Und sie fügte hinzu: „Sie könnte nur ein wenig mehr Engagement zeigen, wenn es um Frauenpolitik geht.“ Auch damit hat sie recht – aber das ist wieder ein anderes Thema.

"Sie verkörpert all das, wofür der Feminismus gekämpft hat." McRobbie

Reden wir also von der feministischen Modeikone Merkel. Beim Treffen mit den Kollegen Weltlenker: Anzüge, bei denen sich höchstens die Farbe des Jacketts schon mal unterscheidet. Der Effekt ist gut, denn er signalisiert: Ich bin gleich, nur etwas besonderes. In der Freizeit: ein Look, der sich daran orientiert, praktisch zu sein und bequem – und der darum ganz ähnlich ist wie der des Mannes an ihrer Seite. Unisex-Look. Schließlich stellen die gemeinsamen Bergwanderungen auch gleiche Anforderungen an Mann wie Frau.

Dieser Stil ist neu für eine Staatschefin. Merkel, die deutsche Physikerin aus der DDR, hat ihn erfunden. Doch wie haben ihre Vorgängerinnen das gehalten?

Die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir (1969-1974) war, in der Stunde der Not, die mannlose Mutter der Nation: in weichen, wadenlangen Oma-Kleidern. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher (1979-1990) gab uns in der Stunde der eisernen Faust die Domina: mit einem Ehemann, der (vermutlich zu unrecht) als unterdrückter Trottel galt; in strengen Tailleurs und hochhackigen Schuhen, gekrönt von einer Beton-Dauerwelle, die signalisierte: Wer mich durchwuschelt, kriegt was mit dem Lineal auf die Finger.

Die DDR-Physikerin hat einen neuen Stil erfunden.

Die Ex-First-Lady und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton schließlich, die gerade zum zweiten Mal antritt, versucht es immer allen recht zu machen, bis zur Selbstverleugnung. Als die von Bills Sexaffären öffentlich gedemütigte First Lady buk die einstige Staranwältin demonstrativ Kuchen und wechselte gefühlte einmal in der Woche die Frisur. Auch als Außenministerin bzw. Präsidentschaftskandidatin gab es häufig wechselnde Frisuren; darunter mal ein übermütiger Pferdeschwanz für die Mittsechzigerin. Jetzt, zum Start ihrer zweiten Präsidentschaftskandidatur, geht Hillary auf Nummer sicher: Perlenkette, Perlenohrringe, Kostüme in optimistisch leuchtenden Farben. Wirkt alles ein bisschen synthetisch und kalkuliert. Kurzum: Unauthentisch und langweilig. 

Auch die aktuellen Staatschefinnen kleinerer Länder, wie die Kroatin Kolinda Grabar-Kitarovic, sind betont bemüht zu demonstrieren, dass sie zwar mächtig, aber dennoch ganz Frau geblieben sind. Die sichersten Signale für diese bigotte Demutsgeste sind: Röcke statt Hosen sowie hohe Absätze, je höher, je „weiblicher“.

Und was sagt
Karl Lagerfeld
eigentlich dazu?

Hingegen die deutsche Bundeskanzlerin. Da können wir über Mangel an Coolness und Authentizität nicht klagen. In Zeiten des High-Heels-Geklappers trägt sie immer flache Schuhe – außer beim unvermeidlichen Wagner-Festival in Bayreuth (Ihr diesjähriger Kommentar zur Aufführung: „Es hat mir gut gefallen.“). Auf dem roten Opern-Teppich erlaubt sie sich – neben ihrem Ehemann in Lackschuhen, Smoking und Fliege – auch schon mal kleine Prinzessabsätze, passend zum Taftensemble.

Aber ihre Berufskleidung! Zugegeben, die Anzüge könnten besser geschnitten sein. Aber das ist egal, findet sogar der ansonsten kompromisslos arrogante Karl Lagerfeld. Diese Frau kann anziehen, was sie will. Sie hat keine Zeit zu verlieren mit dem ganzen Mode-Tüdelitü. Sie muss regieren – nicht gefallen. 

An ihren Taten sollt ihr sie messen.

Alice Schwarzer

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