Feministinnen: Millionenprotest!
Was am Abend des 8. November, dem Tag der US-Wahl, als Idee einer Handvoll Feministinnen auf Facebook startete, wurde am 21. Januar in Washington zu einem Ereignis, das nicht nur die US-Nation verblüffte, sondern die ganze Welt: Aus dem Women's March für Frauenrechte wurde ein Halb-Millionen-Marsch in Washington. USA-weit sollen es über vier Millionen gewesen sein. So viele Menschen haben seit dem Vietnamkrieg nicht mehr auf der Straße protestiert.
Mehr noch. Von Paris bis Mumbai haben die "Sisters Marches" massenhaft Flagge gezeigt. Nur in Berlin sind es nur ein paar Hundert geworden, auf dem Pariser Platz vor der Amerikanischen Botschaft. Im expliziten Zusammenhang mit Frauenrechten war es die größte Demo aller Zeiten.
„Not my President!" war auf den Transparenten der protestierenden Frauen zu lesen. „Mein Uterus gehört mir!" Oder auch : „Befreit Barron!" (den zehnjährigen Sohn des Präsidenten). Es waren einfach alle gekommen, die nicht in einem Land leben wollen, in dem ein Mensch wie Donald Trump Präsident ist. Ob sie auch alle Hillary Clinton gewählt haben, um Trump zu verhindern, ist sehr zu bezweifeln. Aber immerhin jetzt scheinen sie zu ahnen, was auf sie zukommt und sind bereit, zu kämpfen.
Frauen wie Männer, Liberale wie Linke, Alte wie Junge, Weiße wie Farbige, Heteros wie Homos, Queere und einfach Empörte. Das Motto des Marsches, zehntausende pinke Mützen leuchteten aus der Masse, die sich durch die Straßen der Regierungshauptstadt schoben. Bei genauerem Hinsehen entpuppten sie sich als „gehäkelte Vaginas", eine ironische Anspielung auf Trumps sexistische Äußerungen, er könne sich jede Pussy (Muschi) greifen. "Pussy grabs back!", lautete der Schlachtruf: Die Pussy grabscht zurück!
„Seid ihr bereit, diese Welt zu erschüttern?" rief Madonna ins Mikrofon, gewandet in eine rote Hose und schwarze Pussy-Mütze. Und sie ist nicht die einzige Prominente, die an diesem Tag in Washington mitmarschiert. Alicia Keys spielte ihren Song „Girls on fire". Jubel brach aus, als die 82-jährige Frauenrechtlerin und Ms.-Gründerin Gloria Steinem ans Mikrofon trat und den Zusammenhalt der Frauen beschwor. Sie verwies auf die erfolgreichen Proteste der Frauen in Polen: „Die Regierung hat Abtreibung verboten, sechs Millionen Frauen haben dagegen protestiert, und sie mussten das Verbot zurücknehmen!" Und weiter: „Wir sind das Volk. Wir haben Macht und wir werden sie benutzen!"
https://www.youtube.com/watch?v=kwoe_0gPGVQ
Hillary Clinton meldete sich auf Twitter zu Wort: "Danke, dass ihr für unsere Werte aufsteht, sprecht und marschiert."
Thanks for standing, speaking & marching for our values @womensmarch. Important as ever. I truly believe we're always Stronger Together.
— Hillary Clinton (@HillaryClinton) January 21, 2017
Die Enttäuschung und Wut der Frauen ist verständlich. Schließlich ist ihr neuer Präsident kein Typ wie der alte, der in Frauenzeitschriften darüber schrieb, warum jeder Mann und jeder Vater ein Feminist sein sollte - wie Barack Obama im vergangenen Jahr. Sondern einer, der erklärt, dass er seine Tochter auch „daten" würde, denn „sie hat ja eine tolle Figur!".
„Grab them by the pussy" (Greift sie an der Muschi) ist der meist zitierte Rat Donald Trumps zum Umgang mit den Bürgerinnen. Das Video dieses Gesprächs mit TV-Moderator Billy Bush aus dem Jahr 2005 hat weltweit Schlagzeilen gemacht. Trump tat es als „Locker Room Talk" ab. Boys will be boys. Das war 2016, als ja selbst viele Hillary-Haters noch überzeugt waren: Clinton wird die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten.
Aber das ist nicht passiert. Auch, wenn Clinton drei Millionen Stimmen mehr bekommen hat als ihr Kontrahent - allen voran von jungen und von schwarzen Frauen - ist dank des Wahlmännersystems der Unternehmer Trump ins Weiße Haus gezogen.
Und deswegen geht es gerade für die Frauen in Amerika jetzt um mehr als dumme Sprüche und Symbolpolitik. Es geht um fundamentale Rechte, die nun bedroht sind. Angefangen beim Recht auf Abtreibung, über die Respektierung Schwarzer und Migranten, die gesundheitliche Versorgung, den gleichen Lohn für gleiche Arbeit, etc.
„Frauenrechte sind Menschenrechte" lautet der erste Satz des Papers der Organisatorinnen des Women's March. So mancher hat das auch im Jahr 2017 noch nicht begriffen. Einer von ihnen ist Donald Trump. Wie wird der notorische Narzisst, der jetzt im Oval Office sitzt, darauf reagieren? Es gar nicht wahrnehmen? Oder einfach weglügen? Denn, das wird jetzt noch deutlicher: Dieser Mann hat ein gespaltenes Verhältnis zur Wahrheit. So lässt er verlauten, noch nie seien bei der Inauguration eines US-Präsidenten so viele Menschen gewesen wie auf seiner. Dabei zeigt ein simpler Foto-Vergleich (gleicher Ort, gleiche Stunde): Bei Obamas Inaugration waren mindestens doppelt so viele. Die Medien tut Trump als Lügenpresse ab. Aber was macht er mit den Menschen? Mit den Millionen Menschen? Es könnte spannend werden.