Studierende contra Islam-Institut
An dem Islam-Institut der humanistischen Universität sollen u.a. Imame und Religionslehrer ausgebildet werden. Hochalarmiert sind: Martin Omnitz, 28, Referent für Öffentlichkeitsarbeit im RefRat, dem Asta der Humboldt-Universität zu Berlin; und Bafta Sarbo, 24, Vertreterin im Akademischen Senat der Hochschule sowie Referentin für Hochschulpolitik. Mit EMMA haben die beiden darüber gesprochen, wie es zu dem einstimmigen Protest der Studierendenvertretung kam – und welche Konsequenzen er haben könnte.
Das Studierendenparlament der HU Berlin hat sich geschlossen gegen die Einrichtung des Islam-Instituts ausgesprochen. Warum?
Bafta: Wir fordern schon seit zwei Jahren, dass die Einrichtung dieses Instituts transparenter verläuft. Und dass wir als Studierendenvertretung stärker einbezogen werden. Aber wir werden nicht gehört.
Kommen einstimmige Proteste oft vor?
Martin: Nein. Ich bin selbst etwas überrascht! Das Parlament an der HU ist ja wirklich sehr bunt zusammengewürfelt – von fakultätsbezogenen Gruppen bis hin zu parteinahen Listen. Und häufig ist es so, dass sich diese Gruppen einfach aus Prinzip widersprechen. Aber all das ist in dem Fall nicht passiert. Es gab keine Gegenstimmen.
Was kritisiert ihr?
Bafta: Unser Hauptkritikpunkt ist die Zusammensetzung des sogenannten Beirats für das Institut. Das sind ausschließlich erzkonservative, nicht liberale Islamverbände. Am Anfang waren sogar noch die Ditib und der „Verband der Islamischen Kulturzentren“ vertreten. Aber die sind ausgestiegen, weil ihnen der Kooperationsvertrag nicht gefallen hat. Jetzt sind noch der „Zentralrat der Muslime“, die „Islamische Föderation Berlin“ und die „Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands“ übrig. Besonders divers ist das also nicht.
Wie kam diese Zusammensetzung denn zustande?
Martin: Angeblich repräsentieren diese Verbände die Mehrzahl der Musliminnen und Muslime in Deutschland. Aber das ist ja deren Selbstdarstellung – wie will man überprüfen, ob das der Realität entspricht? Wir haben immer wieder gefordert, den Beirat für liberale muslimische Organisationen zu öffnen. Inzwischen gibt es ja in Berlin sogar eine liberale Moschee, die Ibn-Rushd Goethe Moschee von Seyran Ateş. Die Universität hätte auch die alevitische Gemeinde stärker einbeziehen können. Aber all das ist nicht passiert.
Dabei fühlen sich laut einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gerade mal 2,7 Prozent der Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland vom Zentralrat der Muslime vertreten.
Bafta: Und es wurde auch nie nach außen kommuniziert, wie die Besetzung des Beirates überhaupt von statten ging. Wir haben uns als Studierendenvertretung bei der zuständigen Arbeitsgruppe immer wieder nach dem Verlauf erkundigt. Wir wurden jedes Mal vertröstet: Die Berichte kommen bald. Und dann haben sie uns vor ein paar Monaten den fertigen Kooperationsvertrag vorgelegt, der mit den beteiligten Verbänden ausgehandelt worden war.
Ist die Universität denn nicht verpflichtet, diesen Prozess gegenüber der studentischen Vertretung transparent zu machen?
Bafta: Das ist genau der Punkt! Wir sind der Ansicht, dass die studentische Vertretung im Akademischen Senat Anspruch darauf hat. Aber das haben wir angeblich falsch verstanden.
Ihr habt ein sogenanntes „Statusgruppenveto“ eingelegt. Was bedeutet das?
Bafta: Im Senat der Universität sitzen vier studentische Vertreterinnen und Vertreter und wir haben gemeinsam Einspruch gegen die Einrichtung des Islam-Institutes in dieser Form eingelegt. Das würde eigentlich bedeuteten, dass die Angelegenheit gestoppt und eine Vermittlungskommission eingerichtet werden muss, die dann einen Kompromiss erarbeitet. Aber unser Veto wurde von der Universitätsleitung einfach übergangen. Wir lassen das gerade von einem Anwalt prüfen.
In eurer Erklärung kritisiert ihr explizit, dass die Zusammenarbeit mit den Islam-Verbänden nicht mit den Grundsätzen der HU Berlin vereinbar sei. Zum Beispiel, wenn es um die „Gleichstellung von Frauen und Männern in Wissenschaft und Gesellschaft“ geht.
Martin: Das Thema Gleichstellung zwischen Frauen und Männern ist uns wichtig. Und als ich die „Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands“ das erste Mal gegoogelt habe, bin ich auch sofort auf deren Erklärung zur Homo-Ehe gestoßen. Da wurden Schwule und Lesben auf eine Art angegriffen, wie ich es sonst nur von rechten Trollen im Netz kenne. Sie haben die Homo-Ehe als „organisierte gesellschaftliche Verirrung sowie die Verwässerung jeglicher Moral, Ethik und Religiosität“ bezeichnet. Und diese Menschen sollen Imame und Religionslehrer ausbilden, die dann am Ende einen Stempel von der HU Berlin bekommen? Das ist schon unglaublich!
Bafta: Oder nehmen wir die ebenso beteiligte „Islamische Föderation Berlin“. Das ist die offizielle Landesvertretung der Millî Görüş aus der Türkei, die schon lange wegen ihrer faschistoiden Tendenzen bekannt ist. Das muss eine Universität, die geflohene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Türkei aufnimmt, doch mitdenken! Und die „Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands“ ist eng mit dem iranischen Regime vernetzt. Und dem „Zentralrat der Muslime“ sagt man enge Beziehungen zur Muslimbruderschaft nach. Das alles sind öffentliche Informationen, die jedem zugänglich sind. Warum hat die Universität sie nicht berücksichtigt?
Martin: Mich würde es ja freuen, wenn dieses Institut für islamische Theologie etwas damit zu tun hätte, was Theologie irgendwann mal sein sollte: nämlich Vernunft mit Religion in Einklang zu bringen – und Religionen und ihre Praxen auch entsprechend zu reflektieren. Aber das ist bei der Zusammensetzung wohl kaum zu erwarten.
Wo kommt eure Sensibilisierung für das Thema her?
Bafta: Wir haben Kontakt zu liberalen Muslimen aufgenommen, zum Beispiel zu Seyran Ateş. Wir haben uns auch mit kurdischen und alevitischen Studierenden zusammengesetzt und darüber gesprochen, welche konkreten Probleme für sie entstehen würden, wenn diese Verbände an der Universität Fuß fassen.
Gab es denn Reaktionen auf eure Stellungnahme?
Bafta: Der Berliner Senat hat noch gar nicht reagiert. Die Islam-Verbände auch nicht. Aber damit haben wir auch nicht gerechnet. Jetzt versuchen wir, über Öffentlichkeit Druck auf die Universitätsleitung auszuüben.
Das Gespräch führte Alexandra Eul.