Giffey: “Die Zahlen sind schockierend!”
Alina Levshin schaut mit festem Blick in die Kamera und zählt die Sprüche auf, die geschlagene Frauen zu hören bekommen: „Du bist doch selber schuld!“ – „Du hast es nicht anders verdient!“ – „Das ist normal in einer Ehe!“ – „Dir glaubt doch eh keiner!“- „Die Familie wird dich verstoßen!“ Immer mehr Frauen gehen mit Levshin, die nun kraftvoll ausschreitet, ihren symbolischen Weg aus der Gewalt. Am Ende des 45-sekündigen Spots sind es zwei Dutzend Frauen – junge, alte, mit und ohne Migrationshintergrund – die erklären: „All das haben sie gesagt. Aber jetzt rede ich!“
Fünf Tage vor dem Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen hat Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) den neuen Kampagnenspot vorgestellt, mit dem sie geschlagene Frauen dazu ermutigen will, ihr Schweigen zu brechen – und sich Hilfe zu suchen.
Gleichzeitig präsentierte die Ministerin die „schockierenden“ Zahlen zur sogenannten „Häuslichen Gewalt“. Im Jahr 2017 landeten 113.965 Frauen in der Kriminalstatistik, gegen die ihr (Ex)“Partner“ gewalttätig wurde – die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher.
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Die Delikte: Stalking, Bedrohung, Körperverletzung, Vergewaltigung, Mord und Totschlag. 147 Frauen überlebten die Gewalt nicht - eine ungeheuerliche Zahl. „Dass quasi montags, donnerstags und sonntags eine Frau von ihrem Partner umgebracht wird, ist in einem modernen Land wie Deutschland eine unvorstellbare Größenordnung“, erklärt Ministerin Giffey. Sie habe deshalb die Gewalt gegen Frauen „zu ihrem Schwerpunktthema gemacht“.
Ein entscheidendes Problem: Es fehlen Frauenhaus-Plätze. Schon im September 2017 hatte die „Frauenhauskoordinierung“, der Dachverband von 260 Frauenhäusern in verbandlicher Trägerschaft, Alarm geschlagen. In einem Brandbrief an das Ministerium hatte der Dachverband die „dramatische Lage“ angeprangert: Jedes Jahr müssten Tausende Frauen von überfüllten Frauenhäusern abgewiesen werden. „Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus“, erklärte Sprecherin Heike Herold im Gespräch mit EMMA.
Tatsächlich hat Frauenministerin Giffey Ende September 2018 einen ersten Schritt in diese Richtung getan: Sie zitierte Bund, Länder und Kommunen an einen Runden Tisch, damit endlich eine einheitliche Lösung für die Finanzierung der Frauenhäuser gefunden wird. Ausreichend Geld für Frauenhausplätze zur Verfügung zu stellen, ist bisher in den meisten Bundesländern keine Pflichtaufgabe, sondern eine Goodwill-Leistung. Geld kommt (manchmal) auch von Kommunen oder aus Spenden. Die Folge: „Ein Flickenteppich, den sich jedes Frauenhaus zusammenstückeln muss.“
Ein Problem:
Es gibt nicht genügend Plätze im Frauenhaus
Dabei steigt die Zahl der benötigten Plätze: „Viele Frauen wissen inzwischen, dass Gewalt kein Schicksal ist, das sie einfach hinzunehmen haben. Sie verlassen ihre gewalttätigen Männer also öfter“, sagt Heike Herold von der Frauenhauskoordinierung. Auch das bundesweite Hilfetelefon, das 2013 an den Start gegangen ist, leiste dazu seinen Beitrag. Hinzu kommt: Viele Frauen bleiben länger im Frauenhaus, weil sie auf dem überteuerten Wohnungsmarkt keine Wohnung finden. Außerdem sei „die Zahl der geflüchteten Frauen in den Frauenhäusern seit 2015 massiv gestiegen. Und diese Frauen brauchen eine besonders intensive Betreuung. Und das bei ohnehin zu wenig Personal“.
Ministerin Giffey hat auch hier einen ersten Schritt gemacht: Für 2019 stellt ihr Ministerium den Frauenhäusern fünf Millionen Euro, für 2020 dann 30 Millionen Euro zur Verfügung.
Bei der neu gestarteten Kampagne sind jetzt alle gefragt, die helfen wollen, die epidemische Gewalt gegen Frauen anzuprangern und betroffene Frauen zu ermutigen. Der Kampagnen-Spot und die dazugehörigen Plakate sind auf der Website des Hilfetelefons abrufbar (auch als TV-Version). Der Spot kann und soll auf eigenen Kanälen verbreitet werden.