Fastnacht, jetzt auch in Berlin!
In der Fastnacht, was der saarländische Karneval ist, ist sie die Putzfrau Gretel vom Saarbrücker Landtag. Dann betritt „es Annegret“ aus Püttlingen im blauweißen Kittel die Bühne und fegt mit ihrem XXL-Besen alles weg. Genau das hat sie gerade in Hamburg auch getan.
Seit vielen Jahren ist Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) die heimliche Favoritin der Kanzlerin. Diese Gunst Merkels ist in Zeiten, in denen diese in die Kritik geraten ist, Vorteil und Nachteil zugleich. Es stellt sich also die Frage: Was verbindet die beiden – und was unterscheidet sie? Beiden gemeinsam ist offensichtlich der Stil: Bescheidenheit und Sachorientiertheit. AKK jedoch scheint angriffslustiger zu sein als die allzeit bedachte Merkel.
Frauenpolitisch gesehen ist AKK feministischer als Merkel, aber auch konservativer. Eine Reform des § 218 wäre mit der gläubigen Katholikin wohl nicht verhandelbar. Und auch zu ihrer Unterscheidung zwischen „eingetragener Partnerschaft“, die sie bejaht, und Homoehe, die sie kritisiert, steht sie weiterhin aufrecht. Allerdings scheint ihr Katholizismus gelassen. Sie bezeichnet sich als „säkularisierte Christin“. Ihr Glaube ist für sie „Privatsache“.
Sie ist konser-
vativer als Merkel, aber feministischer
Die verhinderte Messdienerin („Meine Brüder durften Messdiener sein“) hat ein durchaus kritisches Verhältnis zur Amtskirche. Sie findet, es ist überfällig, dass Frauen Priesterinnen sein können.
Und die Feministin Kramp-Karrenbauer? Die sagt fröhlich von sich: „Ich bin eine Quotenfrau und stolz darauf!“ Sie ist für die Abschaffung des Ehegattensplittings, das stärke die Hausfrauenehe. Und sie ist für eine „Ächtung“ der Prostitution, ja hat sogar den EMMA-Appell zum Kampf gegen die Prostitution unterschrieben. Als Saarländerin weiß sie schließlich nur zu gut, was Sache ist: Ins Ländle strömen en masse französische Freier, weil bei ihnen die Prostitution als „Verstoß gegen die Menschenwürde“ verboten ist.
Und der Islam? Da blickt sie durch. „Den Islam“ gäbe es nicht, anstatt zu pauschalisieren, müsse man die Muslime fragen: „Wie stehst du zu den Grundwerten unseres Landes? Wie zum Grundgesetz? Wie willst du dich in diesem Land einbringen?“ Als Ministerpräsidentin hat sie Lehrerinnen das Tragen des Kopftuches untersagt und die ärztliche Untersuchung jugendlicher Flüchtlinge befürwortet, um festzustellen, ob die wirklich minderjährig sind. Die u. a. von Erdoğan missbrauchte doppelte Staatsbürgerschaft stellt sie infrage. Und bei einer Bürgerdebatte erklärte AKK: „Wenn muslimische Jungs das Essen verweigern, weil es von einer Frau gereicht wird, sagen wir: Ok Jungs, weitergehen. Heute gibt es kein Essen.“
Die Gleichheit von Frauen und Männern ist für die heute 56-Jährige selbstverständlich. Den Floh hat ihr anscheinend der Vater, Rektor einer Sonderschule, ins Ohr gesetzt. Gern von ihr kolportierte Anekdote: Wenn Annegret, eine von vier Kindern, zum Abtrocknen antreten sollte, sagte der Vater schon mal zu seiner Frau: „Lass sie lesen. Ich mach das schon.“ Denn „es Annegret“ las so gerne. Sie ist also wohl das, was man in der Psychologie eine „Vatertochter“ nennt. Was auch ihren sachlichen Auftritt erklärt.
Noch im Studium, der Politikwissenschaften, heiratete sie den Bergmann Helmut Karrenbauer, der in der Abendschule den Ingenieur nachmachte. Die beiden haben drei inzwischen erwachsene Kinder, die vorrangig er großgezogen hat. Zunächst, indem er Teilzeit arbeitete, und dann, als ihre Karriere steiler wurde, ganz zu Hause blieb.
Als ihre Karriere steiler wurde, blieb er ganz zu Hause
In der Politik war AKK als Frau immer die Erste. Die Parteibasis liebt sie, weil sie sich dafür interessiert, was die Basis denkt. Und als Frau hat sie nichts zu beweisen, bzw. schon alles bewiesen.
Gefragt vom Spiegel, ob die Menschen sich heutzutage nicht eher nach einem „Gegenmodell zu Merkel“ sehnten, antwortete die „Mini-Merkel“: „Mag sein, dass manche sich den starken Mann wünschen. Aber wenn man sich umschaut in der Welt und auf die Putins, Trumps und Erdoğans blickt, dann bin ich mir nicht sicher, ob der die Qualität der Politik verbessert.“
Tusch, Putzfrau Gretel!
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