Strobl: Wir haben alle gelogen!
Ingrid Strobl, die von 1979 bis 1986 Redakteurin bei EMMA war, hält es für richtig, 32 Jahre später „die Wahrheit“ zu sagen. Sie hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Vermessene Zeit. Der Wecker, der Knast und ich“.
Dann möchte ich jetzt endlich auch mal die Wahrheit sagen.
Ja, es war mir immer klar, dass sie den Wecker gekauft hatte und wofür. Denn es war nicht das erste Mal, dass Strobl Kontakt mit dem „bewaffneten Kampf“ hatte. Sie hatte das schon als Studentin in Wien gehabt, und ich habe ihr damals geholfen, aus dem Schlamassel zu kommen. Kurz vor dem Auftauchen ihrer „Genossen“ aus Berlin, für die sie bei einer (dann tatsächlich durchgeführten) Entführung den Kurier spielen sollte, habe ich ihr geraten, zu ihren Eltern nach Innsbruck zu fahren und sich da nicht mehr wegzubewegen. Was sie getan hat.
Sie hat mir ihr Ehrenwort gegeben, dass sie diese Spielchen in Zukunft lässt
Als Ingrid 1979 zu EMMA kam, habe ich ganz offen mit ihr gesprochen. Ich habe ihr gesagt, dass wir ein legal arbeitendes Projekt seien und Kontakte mit dem illegalen Untergrund bei uns nicht infrage kämen. Und ich habe ihr Ehrenwort verlangt, dass sie solche gefährlichen Spielchen in Zukunft lässt. Sie hat mir ihr Ehrenwort gegeben.
Sie hat mich belogen. Was ich zunächst nicht begriffen hatte. Das wurde mir erst klar, als die Sache mit dem Wecker aufflog. Der war für ein (weitgehend folgenloses) Attentat der „Revolutionären Zellen“ (RZ) gekauft worden. Von ihr. Erst dann gestanden mir auch die EMMA-Kolleginnen die Wahrheit: Ingrid Strobl hatte noch in ihrer EMMA-Zeit bei zwei jungen, naiven Kolleginnen, die sie bewunderten, Unterlagen versteckt. Unterlagen, deren Inhalt diese Kolleginnen nicht kannten, die sie aber ins Gefängnis gebracht hätten, wenn sie entdeckt worden wären.
Wir sind alle bei der Polizei vernommen worden, später auch noch vor Gericht. Ich saß bis Mitternacht im Kommissariat der politischen Polizei, in Gegenwart des BKA-Chefs, der extra angereist war. Er hatte Strobl wohl für einen dicken Fisch gehalten – was sie nie war. Sie war nur eine kleine Mitläuferin.
Strobl war kein großer Fisch,
nur eine kleine Mitläuferin
Wir haben alle gelogen.
Wir waren zwar total sauer auf Ingrid, wollten sie aber nicht für zwölf Jahre ins Gefängnis bringen. Und ich habe darüber hinaus Kontakt zu ihren sehr besorgten Eltern gehalten. Auch die habe ich belogen und versucht, sie zu beruhigen und zu trösten.
In dieser Zeit spielte Ingrid Strobl sich gleichzeitig in der linken Szene als ganz große Heldin und „politische Gefangene“ auf. Und die EMMAs wurden von ihrer Szene beschimpft, weil sie „bei den Bullen gesungen“ hätten. So mancheR sprach nicht mehr mit uns. Es war widerlich.
Den Kontakt zu Strobl habe ich abgebrochen. Denn ich war nicht nur schockiert darüber, dass sie EMMA und ihre Kolleginnen so in Gefahr gebracht hatte. Ich verachtete sie auch für ihren ganzen Selbstbetrug und ihre Verlogenheit. Und das tue ich bis heute.
Ich habe das Buch noch nicht gelesen und werde das wohl auch nicht tun. Den Tenor von Strobls aktueller Selbstdarstellung entnehme ich einem Interview, das sie der taz gegeben hat. Und wie ich sehe, hat sie jetzt eine neue Rolle: die der Arbeitertochter (Was auch nicht stimmt: Sie ist eine Kleinbürgertochter, der Vater war städtischer Angestellter, die Mutter Verkäuferin).
Wie wäre es, Ingrid, wenn du dich
einfach mal entschuldigen würdest?
Ganz früher war Strobl die Streetfighterin und Freundin aller Palästinenser (mit der entsprechenden Haltung zu Israel), danach hat sie ein Buch über den „bewaffneten Kampf“ von Juden in Zeiten des Holocaust geschrieben – heute also ist sie „68 und will nicht mehr mit der Lüge leben“; sie redet von „verschobenem Klassenhass“, der „nichts mit meinem Wesen zu tun hatte“. Der Kitsch geht weiter.
Wie wäre es, Ingrid, wenn du dich einfach mal entschuldigen würdest für alles, was du so angerichtet hast? Entschuldigen bei all denen, die du belogen oder sogar in Gefahr gebracht hast? Jetzt, wo du 68 bist und reinen Tisch machen willst.
Alice Schwarzer