Auch die weiblichen Opfer sind es wert!
In den vergangenen Wochen waren meine Gedanken immer wieder bei Darnella Frazier – dem mutigen, 17-jährigen schwarzen Mädchen, das gefilmt hat, wie George Floyd getötet wurde. Nur, weil sie gewagt hat zu dokumentieren, wie der Polizist Derek Chauvin fast neun Minuten lang sein Knie auf Floyds Hals gedrückt hielt, ist die Welt Zeuge dieser tödlichen, rassistischen Polizeigewalt geworden – die oft stattfindet, aber selten so sichtbar wird. Das Video von Floyds Tod, das die Lügen des Polizisten entlarvt, hat eine große kollektive Entrüstung nach sich gezogen. Menschen protestierten in der ganzen Welt auf den Straßen - trotz der globalen Pandemie. Die hat übrigens unverhältnismäßig viele schwarze Communitys getroffen. Das Video von Darnella ist ein Wendepunkt.
In den sozialen Medien habe ich Tausende Posts über George Floyd gesehen. Floyd wurde zum Sinnbild für rassistische Polizeigewalt gegen schwarze Männer und Jungen. In seinem Tod sehen die Menschen auch den Tod von Eric Garner, Michael Brown, Tamir Rice, Stephon Clark und vielen anderen schwarzen Männern.
Dabei ist mir aufgefallen, dass kaum Frauen und Mädchen auf dieser „Opferliste“ stehen. Nicht einmal Breonna Taylor aus Louisville, Kentucky. Ohne Vorwarnung hatten Polizisten im März 2020 ihre Wohnung gestürmt und um sich geschossen. Acht Mal wurde Breonna getroffen.
Der Mord an ihr ist typisch für die Geschichte tödlicher Polizeigewalt gegen Frauen und Mädchen innerhalb ihres eigenen Hauses. Ein Sinnbild für die Morde an Atatiana Jefferson, Aiyana Stanley-Jones oder Deborah Danner. Sie alle wurden in ihrem Zuhause getötet, wo ihnen niemand mutig zur Seite springen oder ihren sinnlosen Tod dokumentieren konnte. Nicht einmal in ihrem eigenen Haus waren sie in Sicherheit.
Danner war eine 66-jährige geistig verwirrte Frau. Stanley-Jones war ein siebenjähriges Mädchen, das auf der Couch schlief. Jefferson war eine 28-Jährige, die Video-Spiele mit ihrem Neffen spielte. Auch die Leben dieser Frauen sind von Bedeutung.
Durch #SayHerName trat das Ausmaß der Gewalt gegen schwarze Frauen ans Licht
2015, als das „African American Policy Forum“ (ein Think Tank für soziale Gerechtigkeit, Anm.d.Red.) einen Bericht von #SayHerName veröffentlichte, trat das Ausmaß der Gewalt gegen schwarze Frauen und Mädchen zutage. Fünf Jahre später gibt es jedoch immer noch kaum ein Bewusstsein für diese Gewalt.
Der Kampf dagegen ist eine Sisyphus-Arbeit. Ich fühle mich, als würde ich in einen luftleeren Raum schreien: Die Polizei tötet auch schwarze Frauen und Mädchen oder Menschen, die nicht ins Geschlechter-Raster passen, überdurchschnittlich oft! Schwarze und weiße Menschen gehen auf die Straße, um gegen den Skandal zu protestieren, dass schwarze Männer und Jungen besonders oft Opfer von Polizeigewalt sind. Das ist gut. Doch dass die weiblichen Opfer nicht ebenso Teil des öffentlichen Aufschreis sind, löscht diesen Teil der Opfer aus. Und es stellt sich die herzzerreißende Frage: Warum sind die Morde an schwarzen Mädchen und Frauen nicht der Rede wert?
Die Polizeimorde an schwarzen Frauen und Mädchen müssen Teil unseres Kampfes sein!
Angesichts all dieser Fälle ist es unmöglich, schwarze Frauen und Mädchen in der Debatte über und dem Protest gegen Rassismus in den USA einfach nicht zu benennen. Es ist Zeit, dass wir unseren Blick weiten, wenn wir über rassistische Polizeigewalt sprechen und gegen die Morde auf die Straße gehen. Denn wenn wir den Sexismus dabei vergessen, ist das nur ein halbherziges Engagement für Gerechtigkeit. Die Polizeimorde an schwarzen Frauen, Mädchen und Transmenschen müssen Teil unseres Kampfes sein. #SayHerName darf nicht nur eine leere Geste einiger weniger sein, für die die Morde an schwarzen Frauen und Mädchen „wert“ sind, virale, lokale, nationale und globale Proteste zu lancieren. #SayHerName ist, ganz wie #BlackTranslivesMatter, ein Appell, eine Erinnerung an die Opfer; der Versuch, die ganze Wahrheit über die Gewalt der Polizei gegen schwarze Menschen ans Licht zu bringen.
Ja, in Louisville wird auch der Name von Breonna Taylor gerufen und die Geschichte ihrer Ermordung wird erzählt. Aber er muss von allen gerufen werden, die gegen rassistische Polizeigewalt kämpfen. Wir müssen die Namen aller Opfer nennen und alle ihre Geschichten erzählen! Wir müssen auch für schwarze Frauen auf die Straße gehen!
Treva Lindsey
https://www.youtube.com/watch?v=8M4Rq4U-6v0