Die Leihmütter von Kiew
In deutschen Großstädten werden sie auf „Wunschkindmessen“ wie ein Wellness-Urlaub verkauft: die Trips in die Ukraine zur Abholung eines Babys von einer Leihmutter oder für eine Eizellspende. Das Land ist das Zentrum für den Kinderhandel in Europa geworden, die Branche spricht von der „Gebärmutter Europas“ – ein Milliardengeschäft. Vor allem für die ukrainischen und deutschen Agenturen, die die Leihmütter vermitteln. Weniger für die Frauen selbst.
Rund 15.000 Paare aus Deutschland reisen jedes Jahr ins Ausland, um sich ein Baby zu kaufen. Um die 6.000 davon in die Ukraine. Das ist gerade mit Komplikationen verbunden. Denn während andere Frauen und Kinder aus der Ukraine flüchten, müssen die Leihmütter in den Kriegsbunkern von Kiew verharren.
Dort müssen sie unter widrigsten Bedingungen gebären und um ihre eigenen Kinder bangen. Die Agenturen bevorzugen Frauen als Leihmütter, die bereits ein Kind haben - weil Erstgebärende nicht einschätzen können, wie stark die Gefühle für das eigene Kind sein können und sie dann wohlmöglich Ärger machen, weil sie das Kind doch behalten wollen - was sie aber nicht dürfen. Sie haben unterschrieben. Ebenso wenig können sie sich gegen eine Abtreibung bei möglicher Behinderung des Kindes oder bei Mehrlingen (Fetozid) entscheiden (was bei künstlichen Befruchtungen relativ häufig vorkommt). Auch sind Leihmütter nicht abgesichert, wenn sie selbst durch die Schwangerschaft oder Geburt gesundheitliche Schäden davontragen. Vertrag ist Vertrag.
Der Versuch der Übergabe wird als Kinderhandel bezeichnet werden!
Die Agenturen, bei denen sie unter Knebelvertrag stehen und die sich auch im Krieg ihr Geschäft nicht kaputt machen lassen wollen, „raten“ den Leihmüttern also dringlichst zum Bleiben. Und auch für die KundInnen haben sie eine Botschaft. BioTexCom, der größte Anbieter für Reproduktionsmedizin, warnte jetzt auf Facebook seine deutschen KundInnen davor, „ihre“ Leihmutter aus dem Kriegsland holen zu wollen. Denn: „Die Geburt des Kindes außerhalb der Ukraine ist nicht legal. Die Leihmutter wird als Mutter gelten und der Versuch der Übergabe des Kindes als Kinderhandel bezeichnet. Sie werden nie als Eltern des Kindes anerkannt.“
Kinderhandel, Menschenhandel – auf einmal wird das also in der Branche klar benannt. Bei rund 50.000 Euro liegt der Startpreis für ein Baby aus der Ukraine; mehrfache Befruchtungsversuche, Hormonbehandlungen, pränatale Diagnostik und Verträge, die die Schwangeren zu Abtreibungen zwingen, nicht inbegriffen. Die Leihmutter selbst bekommt für mindestens ein Jahr Behandlung (bis es klappt) und Kasernierung (bis das Kind da ist) um die 10.000 Euro.
In einem Video auf der Internetseite von BioTexCom, das wenige Tage vor der russischen Invasion veröffentlicht wurde, führt eine Mitarbeiterin durch den Luftschutzbunker, den die Firma in der Nähe der Klinik „erworben“ hat. „Wir haben Schlafsäcke, Gasmasken, Lebensmittel, Feuchttücher, Windeln“, erzählt sie und zeigt auf die Vorräte. Ein WC gibt es und eine elektrische Kochplatte mit zwei Feldern. Rund hundert Frauen haben in dem Bunker Platz. Ein Entbindungszimmer ist nicht zu sehen. Dafür aber ein Neugeborenenzimmer mit ca. 20 Bettwägelchen und massenhaft Babymilch.
Leihmütter sollen nämlich nicht stillen – um eine Beziehung zwischen Mutter und Kind zu verhindern. Im Normalfall werden die Babys per Kaiserschnitt entbunden und noch schleim- und blutbedeckt den „Wunscheltern“ übergeben. So manche Leihmutter hatte ihr Baby nicht ein einziges Mal auf dem Arm.
„Wir können Ihre Babys gut versorgen“, beruhigt die Agentur-Mitarbeiterin die KäuferInnen. Ja? Was ist, wenn es Komplikationen bei der Geburt gibt? Wenn Frühchen versorgt werden müssen? Wenn die Mutter notoperiert werden muss? „Wir warten, bis die Lage wieder sicherer ist“, sagt die Mitarbeiterin. Das war vor einem Monat.
Und nun? Es gibt erste Bilder aus den Bunkern, die die New York Times veröffentlicht hat. Darauf zu sehen sind um die 30 Babys, die von Nannys versorgt werden und die nun auf ungewisse Zeit nicht abgeholt werden können. Auch BioTexCom hat ein Video mit lächelnden Babys gepostet. Sie erinnern an die Bilder vom Mai 2020, als dutzende Babys wegen Corona nicht aus Kiew abgeholt werden konnten und in einem Hotel abgestellt wurden. Damals kriegte das Bild des „Business mit den glücklichen Familien“ erste Risse.
Und was passiert mit den Leihmüttern, nachdem sie geliefert haben?
Sowohl Leihmutterschaft als auch Eizellspende sind in Deutschland auf Grundlage des Embryonenschutzgesetzes und zur Verhinderung einer „gespaltenen Mutterschaft“ im Sinne des Kindeswohls verboten. Noch. Aktuell machen sich die FDP, eine Interessenvertretung der Leopoldina und eine stark homosexuell geprägte Lobby für eine Reform des „nicht mehr zeitgemäßen“ Embryonenschutzgesetzes und der „altruistischen Leihmutterschaft“ stark. Letztere ist in der Regel der Türöffner für die kommerzielle Leihmutterschaft. Das haben Länder wie Spanien oder Griechenland vorgemacht.
Auch die Eizellspende, die fälschlicherweise im Vergleich zur Leihmutterschaft als „kleiner Eingriff“ abgetan wird, fußt auf dem Prinzip der Ausbeutung von Frauen. Zwar suggeriert das Wort „Spende“ Freiwilligkeit, ist aber auch ein Geschäft und birgt erhebliche Gesundheitsrisiken und seelische Belastungen.
Die Eizellentnahme wird über Monate mit Hormongaben vorbereitet, um mehrere Follikel reifen zu lassen, die dann unter Vollnarkose punktiert werden. Risiken sind: Blutungen und Infektionen, Thrombosen, Nierenversagen, das ovarielle Überstimulationssyndrom sowie Unfruchtbarkeit infolge der Vernarbung der Eierstöcke. Die „Spenderin“ – im Durchschnitt 24 Jahre alt - erhält in der Ukraine schlappe 500 Euro.
Rund 6.000 Frauen aus Deutschland kaufen jedes Jahr Eizellen von Ukrainerinnen. Die Altersgrenze für EmpfängerInnen liegt – je nach Klinik - bei 50 Jahren.
Zurzeit überschlagen sich deutsche Medien mit Reportagen über deutsche „Wunscheltern“, die „ihr Baby“ aus dem Krieg retten wollen: hetero- und homosexuelle Paare aus Berlin, Hannover oder Ostwestfalen, die sich in die Westukraine durchschlagen, um die Ware abzuholen. Was ist mit den Kindern, die nicht abgeholt werden? Und was ist mit den Leihmüttern? Werden sie nach der Entbindung vor die Türen der Luftschutzbunker gesetzt? Dann müssen sie mit von Milch berstenden Brüsten durch den Kugelhagel und die Trümmer von Kiew fliehen.