Neues Gesetz statt TSG: Die Eckpunkte

Die MinisterInnen Buschmann und Paus stellten in Berlin das "Self-ID-Gesetz" vor. - Foto: Felix Zahn/photothek.net/IMAGO
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Sven Lehmann hat Wort gehalten. Noch „vor der Sommerpause“ hatte der Queer-Beauftragte der Bundesregierung den Entwurf eines „Selbstbestimmungsgesetzes“ angekündigt. Und tatsächlich: Die Ampel hat „fast mit Lichtgeschwindigkeit“ gearbeitet, wie Bundesjustizminister Buschmann erklärte. Und damit deutlich gemacht, wo – neben Ukraine-Krieg, galoppierender Inflation und drohender Energie-Knappheit – ihre Prioritäten liegen. Heute haben Familienministerin Lisa Paus (Die Grünen) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) die „Eckpunkte“ für ein sogenanntes Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt. Dieses Gesetz soll künftig das in der Tat reformbedürftige Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen.

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Kern des Gesetzes ist die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag mit einer einfachen Erklärung auf dem Standesamt zu ändern. Das soll schon bei Kindern möglich sein, in diesem Fall sollen die Eltern die Erklärung für das Kind abgeben. Bei Jugendlichen ist das Einverständnis der Eltern erforderlich. Sind die Eltern nicht einverstanden, kann das Kind das Familiengericht anrufen.

Die Ampel hat mit "Lichtgeschwindigkeit" am neuen Gesetz gearbeitet

Das ist, wenn man so will, schon fast eine gute Nachricht, denn frühere Gesetzentwürfe der Grünen und der FDP sahen vor, dass Jugendliche ab 14 Jahren auch ohne Einverständnis der Eltern ihren Geschlechtseintrag ändern können sollten. Gleichzeitig wollten die Grünen das Recht auf geschlechtsverändernde Maßnahmen, sprich: Hormonbehandlungen und OPs festschreiben. Dass beides so nicht gekommen ist, dürfte der kritischen Debatte zu verdanken sein, zu der auch EMMA in den letzten anderthalb Jahren beigetragen hat.

 

Die zwei Gutachten, die bis dato für die Änderung des Geschlechtseintrags erforderlich waren, sollen künftig entfallen, denn sie seien „zutiefst demütigend“ und „vollkommen überflüssig“, so Justizminister Buschmann. Letzteres sieht allerdings das Bundesverfassungsgericht anders. Es hat eindeutig erklärt, dass der Gesetzgeber den Geschlechtswechsel „an Voraussetzungen knüpfen darf“. Über die Art dieser Voraussetzungen wäre in der Tat nachzudenken. Denn das gutachterliche Verfahren ist nicht festgelegt, so dass einige Gutachter die Bestätigung im Schnelldurchlauf ausstellen und andere tatsächlich demütigende Fragen stellen. Hier wären bessere Lösungen nötig. Nun aber soll es künftig überhaupt keine Voraussetzungen mehr für einen Geschlechtswechsel geben.

Mit dem Gesetz wird das biologische Geschlecht als Kategorie abgeschafft

Was aber würde es bedeuten, wenn das Gesetz so durchkäme? Erstens: Das biologische Geschlecht würde de facto als Kategorie abgeschafft. Es soll künftig das „gefühlte Geschlecht“ maßgeblich dafür sein, ob jemand ganz offiziell bis hin zur Geburtsurkunde Frau oder Mann ist. Das hat Folgen, die in anderen Ländern bereits zu besichtigen sind: So haben sich in England bereits mehrfach männliche Sexualstraftäter während des Verfahrens zu Frauen erklärt, um so im Gefängnis Frauentrakt untergebracht zu werden – wo sie weitere sexuelle Übergriffe begingen. Aber auch schon in der Frauenumkleide des Schwimmbades oder unter der Frauendusche des Fitness-Studios könnte es für Frauen durchaus befremdlich sein, wenn dort ein körperlich biologischer Mann auftaucht, der sich „als Frau definiert“.

Für dieses Problem scheint sich Frauenministerin Lisa Paus allerdings nicht zu interessieren. Auf die Frage eines Journalisten, wie sie denn für das Sicherheitsgefühl von Frauen in solchen Situationen sorgen wolle, antwortete die Frauenministerin kurz und knapp: „Transfrauen sind Frauen. Deshalb sehe ich hier keinen Erörterungsbedarf.“ Auch die Frage nach biologischen Männern in Frauenhäusern fand Ministerin Paus „nicht nachvollziehbar“. Biologische Männer im Frauensport? Da setzt die Frauenministerin ganz auf die „Selbstregulierungsmechanismen der Sportverbände“.

Wie soll für das Sicherheitsgefühl von Frauen gesorgt werden?

Schockierend unkundig zeigte sich Paus, was die Jugendlichen betrifft, die mit einem Wunsch nach Geschlechtswechsel in den Gender-Ambulanzen anbranden. Deren Zahl ist in den westlichen Industrieländern in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Das gilt besonders für die Mädchen, wie etliche Studien belegen und auch deutsche Gender-Ambulanzen bestätigen. Inzwischen kommen auf einen Jungen mit Transitionswunsch acht bis zehn Mädchen. Eltern und LehrerInnen berichten von Schulklassen, in denen drei bis vier Mädchen sitzen, die sich für „trans“ oder „nichtbinär“ halten.

Schweden und England haben vor kurzem die hormonelle Behandlung von Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie weitgehend gestoppt und Forschung nach den Gründen für diesen enormen Anstieg bei den Mädchen gefordert. Liegt eher eine Verweigerung der Geschlechtsrolle vor? Eine verdrängte Homosexualität? Ist der Wunsch nach einem anderen Körper der Versuch, eine Missbrauchserfahrung zu verarbeiten? Schweden will das wissen.   

Und die deutsche Frauenministerin? Von dem Überschuss der Mädchen habe sie „auch mal gehört“, erklärte Lisa Paus allen Ernstes. Gehört habe sie aber ebenfalls, dass es „eher Jungen sind, die sich outen“. Gehört? Wir empfehlen der Ministerin die Lektüre der zu diesem Punkt eindeutigen Studienlage.

Hier geht es auch um die körperliche Unversehrtheit von Mädchen

Denn hier geht es auch um die körperliche Unversehrtheit dieser Mädchen, die mit gegengeschlechtlichen Hormonen und Amputationen ihrer Brüste, der Entfernung ihrer Eierstöcke und Gebärmütter ihre Körper irreversibel verändern. Doch Frauenministerin Paus und Justizminister Buschmann betonten, dass mit dem Selbstbestimmungsgesetz „keine Verknüpfung zu den medizinischen Verfahren verbunden“ seien.

Mehr zur trans-Debatte im Buch "Transsexualität - Was ist eine Frau? Was ist ein Mann?" von Alice Schwarzer und Chantal Louis.
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Formal stimmt das, faktisch nicht. Denn natürlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Jugendliche, die ohne jede therapeutische Begleitung ihren Geschlechtseintrag ändern darf, dann auch körperliche Schritte gehen will, sehr hoch.

Justizminister Buschmann verwies hier auf die medizinischen Fachgesellschaften, die zur Behandlung von Transmenschen nach Leitlinien arbeiteten. Die sähen eine geschlechtsangleichende OP erst ab dem 18. Lebensjahr vor. „Sie werden in Deutschland keinen Arzt finden, der das vor dem 18. Lebensjahr macht.“

Hier nun zeigt der Justizminister eine verblüffende Unkenntnis der Sachlage. Diese Leitlinien sind erstens unverbindlich, weshalb in Deutschland bereits jetzt unter 18-Jährige geschlechtsangleichend operiert werden. Zweitens geht es nicht nur um Operationen, sondern um Hormonbehandlungen. Die sind in Deutschland bereits jetzt ab 16 erlaubt und verändern den Körper ebenfalls irreversibel.

Pubertätsblocker, deren Langzeitwirkung überhaupt nicht ausreichend erforscht sind, dürfen schon mit Beginn der Pubertät verabreicht werden. Hinzu kommt: Diese Leitlinien werden gerade überarbeitet mit dem Ziel, die Altersgrenzen weiter zu senken oder sogar ganz abzuschaffen.    

In Deutschland werden bereits heute unter 18-Jährige geschlechtsangleichend operiert

Der Dank „Selbstbestimmungsgesetz“ so einfache, „selbstbestimmte“ Wechsel des Geschlechtseintrags hat also im Zweifel sehr wohl dramatische Auswirkungen für Jugendliche, insbesondere Mädchen, deren Wunsch nach einem Geschlechtswechsel mit Empathie, aber eben auch mit Gründlichkeit hinterfragt werden sollte.

„Heute ist ein guter Tag für die Freiheitsrechte in Deutschland“, hatte Frauenministerin Paus zu Beginn der Pressekonferenz gesagt. Was sie nicht sagte: Heute ist ein schlechter Tag für die Frauenrechte in Deutschland.

  

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