Nebahat Akkoç: im Frauenhaus

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Zwanzig Jahre lang hat Nebahat Akkoç Kinder an einer Grundschule ihrer Heimatstadt Diyarbakir unterrichtet, davon überzeugt, über die Erziehung der Kleinen die Mentalität in den Familien zu ändern. Zusammen mit ihrem Mann Zubeyir, ebenfalls Lehrer, waren sie mit zwei Kindern das Modell eines modernen kurdischen Ehepaars.

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Das Leben der heute 53-Jährigen veränderte sich, als 1993 ihr Mann Opfer einer der vielen unaufgeklärten Morde wurde. Ein Schuss in den Hinterkopf tötete den Gewerkschafter. Die Hisbollah, die Contraguerilla, die PKK, sie alle hätten einen Grund gehabt, ihn zu töten, denn die Akkoçs waren politisch nicht einzuordnen.

Nebahat wurde nach der Ermordung ihres Mannes festgenommen und von der Polizei gefoltert. Kurden galten damals schon als gefährlich, wenn sie nur einer linken Gewerkschaft angehörten. Nebahat Akkoç erlebte also den Terror der 90er Jahre am eigenen Leibe. Bis 2002 herrschten in der Provinz Diyarbakir Notstandsgesetze. Sie verklagte den türkischen Staat wegen der ihr zugefügten Folter und bekam vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 150.000 Euro Entschädigung zugesprochen. Akkoç gelangte zu der Überzeugung, dass der Weg zum Frieden über die Familien und den häuslichen Frieden führen muss. Sie gründete das Frauen-Zentrum Ka-mer und richtete in einem freundlichen Neubau im modernen Stadtteil Ofis eine Beratungsstelle mit Notruf ein. In neun Jahren riefen über 2.000 Frauen an. Viele finden nicht den Mut oder die Möglichkeit, bis in die Beratungsstelle zu kommen. Diejenigen, die es schaffen, finden Hilfe.

Wenn eine Schlichtung des Konflikts nicht möglich ist, bemüht Ka-mer sich um ein neues Zuhause und eine Arbeit für die Frauen. Einige arbeiten im Ka-mer eigenen Kindergarten und dem inzwischen eingerichteten Cafe. Inzwischen hat Ka-mer zehn Beratungsstellen im gesamten Südosten. In einer Studie beschreibt Ka-mer die Auslöser für häusliche Gewalt. Oftmals sind die Anlässe nichtig, ein Verlassen des Hauses ohne Begleitung gilt schon als starker Verstoß gegen die Hausordnung.

Zu Ehrenmorden kann es kommen, weil im Kaffeehaus von einem Mädchen behauptet wurde, es flirte gern. Die Frauen von Diyarbakir haben inzwischen ein Netzwerk gegründet. Im Falle eines Ehrenmordes wird jede Beerdigung zu einer Großdemonstration der Frauen, sie tragen den Sarg zum Friedhof. Eine eigentlich Männern vorbehaltene Aufgabe. Von Time Europe wurde Nebehat Akkoç 2003 zu einer der "Heldinnen des Jahres" erklärt.

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