Frauen wählten Harris, aber…

92 Prozent der schwarzen Wählerinnen gaben Kamala Harris ihre Stimme. - FOTO: Jim Lo Scalzo / EPA
Artikel teilen

Die feministische Zeitschrift Ms. hatte es vor einigen Tagen vorausgesagt: „Der Gender Gap könnte 2024 ein Rekordlevel erreichen.“ Genauso ist es gekommen. 54 Prozent der Frauen stimmten für Kamala Harris und 44 Prozent für Donald Trump. Bei den Männern ist es genau umgekehrt. 54 Prozent stimmten für den bekennenden Macho, 10 Prozent weniger wählten die Frau, die das Recht auf Abtreibung zu ihrem zentralen Wahlkampfthema gemacht hatte. Das macht einen Gender Gap von satten zehn Prozent. Bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen waren es nur vier Prozent gewesen (Frauen: 56 % für Biden, Männer: 60 % Trump). 

Anzeige

Noch größer wird der Geschlechtergraben, wenn man die „Rasse“ der WählerInnen einbezieht. Schwarze Frauen wählten die schwarze Frau zu 92 Prozent! Von den schwarzen Männer hingegen wählten „nur“ 78 Prozent Kamala Harris, das sind 14 Prozent weniger. Also jeder fünfte schwarze Mann wählte lieber den weißen Mann statt der schwarzen Frau.

Donald und Melania Trump mit Familie und der designiertem Vize-Präsidenten JD Vance mit seiner Frau Usha. - FOTO: IMAGO
Donald und Melania Trump mit Familie und dem designiertem Vize-Präsidenten JD Vance mit seiner Frau Usha. - FOTO: IMAGO

Dass Trump bei den schwarzen Männern zugelegt hat, ist ein Phänomen, über das die Medien in den letzten Wochen vielfach spekuliert hatten. Liegt es daran, dass Kamala Harris als Generalstaatsanwältin von Kalifornien eine Politik der harten Hand fuhr, von der besonders schwarze Männer betroffen waren? Oder daran, dass auch viele schwarze Männer ein Problem mit der Migrationspolitik und der Wokeness der Demokraten haben? Oder schlicht daran, dass Kamala Harris eine Frau ist und in weiten Teilen der männlichen schwarzen Community ein rückständiges Frauenbild vorherrscht?

Fakt ist: Die Stimmen der schwarzen Männer haben Kamala Harris gefehlt. 2020 hatte Joe Biden bei den schwarzen WählerInnen 90 Prozent der Stimmen geholt.         

Ein regelrechter Krater ist der Geschlechtergraben bei den Latinos und Hispanics. Hier wählten die Männer sogar mehrheitlich Trump, nämlich zu 54 Prozent. Zwei von drei Frauen (61 %) stimmten hingegen für Kamala Harris. Der Faktor Religion – Latinos und Hispanics sind überwiegend katholisch – kommt hier also nur bedingt zum Tragen. Stattdessen der Faktor Sexismus.

Jubel im Lager der MAGAS-Bewegung: Trump und "Make America Great Again" - das wählten viele weiße Frauen.
Jubel im Lager der MAGAS-Bewegung: Viele weiße Frauen wählten Trump und "Make America Great Again".

Ebenfalls überraschend, wenn auch nicht neu: Die Mehrheit der weißen Frauen wählte Trump. Das war auch 2021 schon so, allerdings stimmten bei den letzten Wahlen 55 Prozent der weißen Wählerinnen für Trump, diesmal waren es „nur“ 52 Prozent. 59 Prozent der weißen Männer wählten den weißen Mann – und 39 Prozent die schwarze Frau.

Jedoch bei den weißen Wählerinnen gibt es enorme Unterschiede, wenn man den Bildungsgrad einbezieht: Zwei von drei weißen Frauen mit College-Abschluss und darunter wählten Trump (62 %). In der weniger gebildeten Wählerinnengruppe hat Trump also keine knappe, sondern eine satte Mehrheit. Genau umgekehrt ist es bei den weißen Wählerinnen mit höherem Bildungsabschluss. Sie stimmten zu 63 Prozent für Kamala Harris.

Große Unterschiede im Wahlverhalten der Wählerinnen - je nach Bildungsgrad

Harris’ Kalkül, dass ihr offensiver Einsatz für das Recht auf Abtreibung ihr auch die Mehrheit der weißen Frauen einbringen würde, ist augenscheinlich nicht aufgegangen. Dazu ist offenbar die Zahl der evangelikalen Frauen zu groß, die Abtreibung für Teufelswerk halten. Trump hatte, indem er den Supreme Court mit drei erzkonservativen RichterInnen besetzte, den Evangelikalen für ihre Stimme 2016 gedankt und prompt das Recht auf Abtreibung außer Kraft gesetzt.

Hinzu kommt das Thema Wirtschaft. Immer wieder haben Umfragen gezeigt, dass viele Menschen dem Geschäftsmann Donald Trump die Lösung der ökonomischen Probleme - wie der grassierenden Inflation und der sinkenden Löhne - eher zutrauen als der ehemaligen Generalstaatsanwältin. Und so geben 79 Prozent der Trump-WählerInnen an, „the economy“ sei für sie das wichtigste Thema bei ihrer Wahlentscheidung gewesen. Fast genauso viele Harris-WählerInnen (76 %) geben das Thema Abtreibung als entscheidend an.

Und selbst so manche Feministin dürfte die aus dem Ruder gelaufene ideologiegetriebene, woke Identitätspolitik der Demokraten, für die auch Kamala Harris steht, abgeschreckt haben.

Die woke Identitätspolitik der Demokraten schreckte so manche Feministin

Und dann ist da noch die Frage Krieg. „Ich werde keinen Krieg machen. Ich werde Kriege beenden.“ Das erklärte der frisch gewählte Präsident in der Wahlnacht. Wir werden in den kommenden Wochen sehen, ob er das einlöst.

Wird Trump zum Ende des Ukraine-Krieges beitragen, indem er Druck auf beide Parteien macht, auf die Ukraine wie Russland? Druck pro Friedensverhandlungen und Kompromisse.

Und Israel? Das wird noch komplizierter. Sollte Trump einseitig Israel unterstützen, geht das Massensterben in Gaza weiter. Das wird ein Drahtseilakt für die USA. Aber zumindest in den Schlammgräben der Ukraine könnte das Sterben endlich beendet werden.

CHANTAL LOUIS

Artikel teilen
 
Zur Startseite