Aktion: Stoppt Frauenhass!
Doch noch nicht einmal in einer Zeit der zunehmenden Empörung über den Fremdenhass scheint Frauenhass ein Thema zu sein. Selbst dann nicht, wenn er tödlich ist. Dabei hängt beides zusammen, der Fremden- und der Frauenhass. Immer sind es Männer, die töten; und immer töten sie von oben nach unten. Die Schwächeren, die Anderen.
In der Dezember-Emma 1991 fragte Alice Schwarzer: „Warum starb Angelika Bayer?" und gab die Antwort: „Weil sie eine Frau war!" Sie schloss: Frauenmorde sind keine Kavaliersdelikte und auch kein Zufall, sie haben System. Sie sind die letzte Konsequenz des tiefen und alltäglichen Frauenhasses. Ihr Ziel ist - ganz wie beim Fremdenhass - die Entwürdigung und Einschüchterung einer bestimmten Menschengruppe: nämlich aller weiblichen Menschen. Damals schrieb Emma, dass wir das nicht länger hinnehmen wollen. Und wir forderten zum Handeln auf. Die gesellschaftlich und politisch Verantwortlichen ebenso wie die Frauen. Erstere schweigen noch immer. Die Frauen aber reagierten.
Tag für Tag schickt Ihr, die EMMA-Leserinnen, uns Material: Zeitungsschnipsel, Informationen über Vergewaltigung, Misshandlungen, versuchte Morde und vollendete Morde. Die Opfer sind immer Frauen. Und die Täter sind immer Männer.
Inzwischen füllen allein die Informationen der Emma-Leserinnen hier fünf dicke Aktenordner - in neun Monaten! Hätten wir diese Informationen von Euch, den Frauen selbst, nicht, würden wir das wahre Ausmaß der sexistischen Gewalt noch nicht einmal ahnen. Denn die dürren Zahlen, die zum Beispiel das Bundeskriminalamt über den tödlichen Frauenhass liefert, sind falsch. Das wird auf den ersten Blick klar.
So behaupten die Statistiker zum Beispiel, im Jahre 1991 seien in Deutschland genau 44 Frauen einem sogenannten „Sexualmord" zum Opfer gefallen, und 43 dieser Fälle seien aufgeklärt worden. Merkwürdig, denn allein für Köln: wissen wir innerhalb der letzten drei Monate des Jahres 1991 von zwei Sexualmorden - die beide nicht aufgeklärt sind. Hochgerechnet, mal Zeit und Einwohnerinnen, würde das 560 Frauen ergeben, die 1991 nur in Deutschland und nur auf der Straße aus Frauenhass ermordet wurden - die sogenannten „Beziehungstaten", die Opfer in den Wohnzimmern und Schlafzimmern nicht mitgerechnet, deren Mörder nicht selten der eigene Mann oder eigene Freund ist. Ehemänner bringen zehnmal so oft ihre Frauen um wie Ehefrauen ihre Männer. Und nur in einem von zehn Mordfällen sind Frauen Täter.
Doch bleiben wir bei den anonymen Frauenmorden auf der Straße und dem Beispiel Köln (dessen Wahl dem Zufall zu verdanken ist, dass in dieser Stadt die Emma-Redaktion ist). Und zählen wir einmal die anonymen Frauenmorde auf, die uns in dieser Stadt in den letzten zwölf Monaten bekannt wurden nicht mitgezählt die, die uns entgingen oder die, die gar nicht erst bekannt wurden.
Tatort Köln. 16. Oktober 1991. Nur knapp drei Wochen nach dem Tod von Angelika Bayer wird Seckin Caglar umgebracht, eine16jährige türkische Kauffrau in Ausbildung. Um 18.45 Uhr wird sie auf dem Nachhauseweg in der Nähe einer Straßenbahn-Haltestelle vergewaltigt und erwürgt. „Ein typischer Tatort", klagt Stadtplanerin Marion Koczy. „Die Haltestelle war sowohl mir als auch den Kölner Verkehrs-Betrieben für Vandalismus bekannt: kein Fahrplan, Beleuchtung ständig kaputt, Schilder beschmiert." Bis jetzt, ein Jahr danach, ist die Haltestelle immer noch nicht ins sichere Wohngebiet verlegt worden. Der Mörder von Seckin läuft noch frei herum. 8. Januar 1992. Ein Kölner Autofahrer findet nachts um 3.10 Uhr neben dem Melaten-Friedhof eine tote Frau. Sie hat eine Platzwunde am Kopf und eine Stichverletzung am Bauch. In der Hand hält sie ein Teppichmesser - sie muss sich gegen ihren Mörder gewehrt haben. Die Zeitungen veröffentlichen ein Bild der unbekannten Toten, mit halbgeöffneten Augen und aufgequollenen Lippen. Erst sechs Tage nach dem Tod geben ihre Eltern eine Vermisstenanzeige auf, so klärt sich die Identität: Die Tote ist Andrea Weltzer, 28, Post-Sekretärin. Auch ihr Mörder ist nie gefasst worden. Kripo-Kommentar: „Die Frau kommt aus der Hausbesetzer-Szene, und dort sind etwaige Zeugen sehr reserviert gegenüber der Polizei."
4. Februar 1992. Vor dem Kölner Landgericht steht Rolf H. Er hat im Sommer 1991 die 21-jährige belgische Studentin Malika L. umgebracht, im Rathenaupark, einem kleinen begrünten Innenstadt-Platz mitten im Kneipenviertel. Die „vollbusige, attraktive, schwarzhaarige Frau", so Bild-Reporterin Petra Braun, „musste sterben, weil sie beim Liebesspiel zu laut stöhnte." Sagt der Mörder vor Gericht. Und schreibt die Presse, ganz so, als ob der Mörder recht hat. Kollegin Braun weiß von „zärtlichen Worten, heißen Küssen - und dann wollten sie nur noch eins - Sex. Ein tödlicher Sex." Was die tödlich „unersättliche" Malika L. wirklich wollte, werden wir nie wissen. Rolf H. bekommt neun Jahre.
4. März 1992. Bild Köln meldet: „Kinderstimme am Telefon: Papa hat Mama totgeschlagen". Ein kleines Mädchen ruft in seiner Verzweiflung irgendeine Nummer an und weint. „Mein Papa hat meine Mama schon oft geschlagen, jetzt ist sie tot." Von diesem Fall lesen wir nie wieder in der Zeitung.
29, Mai 1992. Eine Traumstory für Boulevardzeitungen: „Frau zerstückelt und in den Rhein geworfen". In den Tagen danach übertreffen sich die Schlagzeilen: „Gehört Bein der Iranerin?" und „Kind fand Oberkörper". Ermordet wurde die 24jährige Iranerin Afak Bahmani: Ihr iranischer Freund hatte sie mit der Axt zerstückelt und in den Fluss geworfen, dann sprang er aus einem Hochhaus. Schon zwei Monate zuvor war Afak Rahmani nur knapp dem Tod entronnen: Ihr damaliger Freund hatte sie mit dem Messer niedergestochen, weil sie ihn verlassen wollte. Du gehörst mir oder niemandem...
15. Juni 1992. Das nächste Mordopfer: Annemarie L., 61, Rentnerin. Ihr Ehemann, der 30.000 Mark Schulden gemacht hat, schreibt ihr einen Brief: „Ich schaffe es nicht mehr. Aber ich lass Dich nicht allein, ich nehme Dich mit." Dann erschlägt er sie mit einem Hammer. Sein anschließender Versuch, sich selbst zu töten, „misslingt". 5. Juli 1992. Eine 48jährige wird tot in ihrer Wohnung im Belgischen Viertel aufgefunden. Erstochen. Bianca Blersch, bekannt als „Yvonne", war Prostituierte. „Hinweise werden auf Wunsch vertraulich behandelt', versichert die Polizei den Freiern. Anscheinend vergeblich. Auch dieser Mörder ist noch frei.
19. August 1992. Das vorläufig letzte Opfer ist Otti Boettcher, 49, Goldschmiedin aus Köln. Die Polizei findet sie nackt unter der Bonner Viktoria-Brücke. Die Polizeibeamten hatten ihr am Nachmittag zuvor den Führerschein abgenommen, weil sie betrunken Auto fuhr. Und nachts um 2 Uhr sahen die Beamten die Frau noch auf der Brücke, in Begleitung ihres Mörders. Fünf Stunden später identifizieren sie die Leiche. Auch der Täter ist kein Unbekannter. Er hat vor 16 Jahren schon einmal eine Frau umgebracht, die 69jährige Witwe Margrete Barowski. Sie hatte ihn „abgekanzelt", weiß der „Express", „aus Wut über die Zurückweisung erschlug er sie mit einer Weinflasche".
Warum er diesmal gemordet hat? Der Kölner Express weiß es wieder genau: „Du Schlappschwanz - da erwürgte er sie", titelt das Blatt am 22. August. „Sie hat mich zum Geschlechtsverkehr aufgefordert", sagte der Täter der Polizei, „ich sagte ihr, dass ich nicht kann. Sie lachte mich aus." Der erfahrene Frauenmörder ist gut beraten: die „gekränkte Männerehre" ist ein klassischer Milderungsgrund vor Gericht. Für Männer. „Köln: 12 Mörder sind noch frei", titelt der „Express" am 2. September 1992. Die Fotoleiste über dem Artikel zieren „sechs attraktive Frauen" (0-Ton Express), darunter Angelika Bayer, Seckin Caglar, Bianca Blersch. Im Fall Angelika Bayer und im Fall Andrea Weltzer sind die „Akten geschlossen". Die Polizei sucht nicht mehr nach den Mördern. Reiner Fischer, Chef des 1. Kommissariats: „Wenn wir keine Hinweise haben, wo wir suchen sollen, können wir nichts tun."
Und wenn die Polizei Hinweise hat? Am 15. Oktober 1991 werden in einer Berliner Grünanlage am Tel-tower Damm nacheinander zwei Frauen überfallen, die eine um l 21.07 Uhr, die andere um 21.20 ;) Uhr. Beide können sich losreißen. Schon um 21.29 Uhr ruft ein Student, der den beiden zur Hilfe geeilt ist, die Polizei an, später wird vom Krankenhaus aus noch einmal ein Notruf gestartet. Doch die Polizei hält es nicht für nötig, einen Streifenwagen in den Park zu schicken, um den Täter zu suchen. Um 6.30 Uhr findet eine Berlinerin in dem Park die Leiche von Kyung-Lim Lee, einer 32jährigen Koreanerin. Sie war vom selben Täter nur eine halbe Stunde nach den beiden anderen Frauen überfallen, vergewaltigt und schwer verletzt worden. Gestorben ist sie an „finaler Unterkühlung". Sprich: Kyung-Lim Lee ist erfroren, sie lag acht Stunden bei durchschnittlich acht Grad im Freien. Kyung-Lim könnte noch leben, wenn die Polizei die wiederholten Hilferufe ernstgenommen hätte.
Der Täter ist schnell gefunden: Derrick Anderson, 26, amerikanischer Soldat. Er hat in Zehlendorf schon mehrere Frauen vergewaltigt und müsste eigentlich in Untersuchungshaft sitzen. Doch sein Anwalt hatte den schwarzen GI mit dem Argument freibekommen: Weiße Männer seien bei vergleichbaren Vorstrafen nicht inhaftiert worden. So konnte Anderson, das „Opfer des Rassenhasses", zwei weitere Frauen überfallen und einen Mord begehen. Aus Frauenhass. 250 „Straftaten gegen das Leben" gab es laut Berliner Polizeipräsidium 1991, darunter angeblich nur zwei sogenannte „Sexualmorde". Neun von zehn Mördern sind Männer, jedes zweite Opfer ist eine Frau. Bei der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen gibt es eine eigene Abteilung, die sich mit der Gewalt gegen Frauen befasst. Dort werden zurzeit große Pläne geschmiedet: Ein „Krisen- und Beratungszentrum für vergewaltigte Frauen und Mädchen" soll noch in diesem Jahr eröffnet werden. Damit wären - ähnlich wie in Freiburg -Notruf, Beratung und Zuflucht unter einem Dach.
Doch nicht nur in den Metropolen wird gemordet. Die Lebkuchen-Stadt Nürnberg mit dem gemütlichen Christkindlmarkt und dem beliebten Puppenspiel ist auf den ersten Blick ein friedliches Pflaster. Im Jahr 1991, so die Frauenbeauftragte der Nürnberger Polizei, Cornelia Zürner, habe kein Mann eine Frau umgebracht. Doch allein im ersten Halbjahr 1992 gab es vier Morde, alle Opfer waren Frauen. Als wir die dicken Umschläge von Emma-Leserin Irene Geißler aus Schwabach bei Nürnberg aufmachen, wird uns klar: Nürnberg mag, wie der Spiegel neulich schrieb, „die langweiligste Stadt Deutschlands" sein - für Frauen ist es dort ziemlich ungemütlich. Irene Geißler, die seit vier Jahren das „Schwabacher Tagblatt" und die „Nürnberger Nachrichten" auswertet, schrieb uns: „An manchen Tagen fand ich drei oder vier Berichte über Gewalt an Frauen, aber nur einen oder keinen über Gewalt an Männern."
Am 3. Januar wird in Nürnberg die 83jährige Rentnerin Barbara Aumüller von ihrem 21jährigen Großneffen ermordet. Weil sie ihm nicht, wie verlangt, 200 Mark leiht, schlägt er mit einer vollen Bierflasche auf ihren Kopf, zerschlägt eine zweite Flasche auf der schon ohnmächtigen Frau, erdrosselt sie mit einem Halstuch und sticht schließlich mit einem Brotmesser auf sie ein.
Am 31. Januar wird ebenfalls in Nürnberg die 79jährige Johanna Krassau von einem Unbekannten ermordet, auch sie wegen eines lächerlichen Geldbetrages von 340 Mark. Der Mörder überfällt sie nach einem Einkaufsgang in ihrer Wohnung, ersticht sie mit einem Tranchiermesser und übergießt sie mit Nitroverdünnung. Am 13. Mai die dritte Nürnbergerin: Die Rentnerin Margareta Wenderlein, 82, wird tot im Gebüsch an einer Ausfallstraße aufgefunden, offenbar mit einem Pflasterstein erschlagen. Vom Mörder fehlt jede „heiße Spur". Allein in diesem Jahr sind drei alte Frauen in Nürnberg umgebracht worden. Keine Sexualmorde, sondern „nur" sogenannte „Raubmorde". Warum trifft es dreimal eine alte Frau und nie einen alten Mann - obwohl bei Raubmorden insgesamt die männlichen Opfer überwiegen? Weil alte Frauen die wehrlosere, leichtere Beute sind? Oder weil das Leben einer alten Frau für einen potentiellen Mörder noch „wertloser" ist, sein Frauenhass ihnen gegenüber noch enthemmter ist als gegenüber jungen Frauen?
In Stuttgart findet im Oktober ein großes „Gewalthearing" statt, und im Rathaus läuft eine Ausstellung über „Angsträume von Frauen". Was war für Frauenbeauftragte Susanne Lüdke der Anlass? „Eine besondere Horrorgeschichte": Ein Serientäter hat wiederholt obdachlose Frauen mit Alkohol abgefüllt und sie dann mit Säure so schwer verätzt, dass einer von ihnen die Brust amputiert werden musste. Die Zeitungsberichte aus Stuttgart fördern noch eine Horrorgeschichte zutage. Am 23. Oktober 1991 wird die 21jährige Studentin Brigitte X. in ihrem Zimmer im Studentenwohnheim von einem Mann überrascht, der mit vorgehaltener Pistole Geld und Scheckkarte von ihr verlangt. Dann muss sie sich nackt ausziehen, fleht ihn an: „Bitte nicht vergewaltigen." Dieses „Bitte nicht", die Angst in ihren Augen habe den Täter zur „Überreaktion motiviert", werden später die Richter sagen. Todesangst in den Augen einer Frau macht Männer an. Die „Überreaktion": Erst zwingt er die Studentin zum Oralverkehr, während er ihr die Pistole an die Schläfe hält. Dann schießt er ihr ins Gesicht, die Kugel dringt unterm Auge ein. Während die Chirurgen im Katharinenhospital das Leben der jungen Frau retten, hebt Boban M. mit ihrer Scheckkarte 5000 Mark ab und glänzt bei seinen Kumpels mit spendablen Saufrunden.
Brigitte X. könnte tot sein, ärztliche Kunst hat sie gerettet - die Unterscheidung zwischen „versuchter" und „vollendeter" Tötung ist in Bezug auf den Täter also zufällig. Der Mann, der Brigittes Tod in Kauf genommen hat, bekommt acht Jahre. (Inge Viett erhält für eine „nicht beabsichtigte" Tötung eines Mannes 13 Jahre, siehe Seite 32). Und Brigitte X.? Mit was für einem „Leben" ist die 21jährige „davongekommen"? Sie ist auf einem Auge blind, die Geschmacks- und Schlucknerven sind gelähmt. „Wenn ich einen Bissen zu mir nehme, muss ich ihn runterspülen wie eine Kopfwehtablette", beschreibt sie den Richtern ihre Verfassung. In Wiesbaden ziehen in der Nacht zum 7. August 1992 400 Frauen durch ihre Stadt: „Frauen kämpfen, Frauen siegen, das Patriarchat wird unterliegen." Das Patriarchat schlägt prompt zurück: Der Besitzer eines Sexshops sprüht mit seinem Feuerlöscher in die friedliche Demo, 20 Frauen werden von dem Säuregemisch getroffen, eine wird ins Krankenhaus eingeliefert. Prima Klima in der hessischen Kur- und Bäderstadt.
Ein Blick in die - auffallend detailliert geführte - Wiesbadener Polizeistatistik zeigt: Im letzten Jahr gab es in der Mittelstadt, gerade mal halb so groß wie das benachbarte, für seine Kriminalität berüchtigte Frankfurt, drei Sexualmorde. Patricia Marsilius, 15, wird erst nach drei Monaten tot im Stadtwald gefunden. Rosario Benitez, 38, wird nachts von einem Unbekannten verfolgt, vergewaltigt und umgebracht. Tanja Friedrich, 29, wird von ihrem Ex-Freund bei einer „Aussprache" vergewaltigt und erdrosselt. Auch die Zahl der Vergewaltigungen hat dramatisch zugenommen. Und es wurden 1991 doppelt so viele Fälle von sexuellem Missbrauch angezeigt wie im Vorjahr. „Erschreckend ist", so schreibt sogar die Polizei, „dass die Opfer immer jünger und die Täter immer brutaler werden." Grauen. Grauen. Grauen. Dieser Artikel könnte endlos so weiter gehen. Noch haben wir nicht von Hannelore M. erzählt, die am 21. Juli 1992 vor dem Frauenhaus in St. Augustin von ihrem Ex-Mann erstochen wurde. „Über das Motiv", sinnierte der Kölner Stadtanzeiger, „hat die Polizei noch keine Anhaltspunkte".
Oder von der Landshuter Anwältin Ute Ertel, die am 17. August 1992 im Gerichtssaal erstochen wurde -vom Mann ihrer Mandantin, für die sie Unterhaltszahlungen einklagen wollte. Die Lektion, die wir daraus lernen: Nicht nur den unbotmäßigen Frauen - solchen, die es zum Beispiel wagen, allein auf die Straße zu gehen oder die sich trennen wollen - droht der Tod, nein, auch den Frauen, die ihnen helfen wollen. Nicht nur den schon bisher berüchtigten Freundinnen und Schwiegermüttern, nein, auch einer Anwältin, die nichts tut als ihre bezahlte Pflicht. Aber vielleicht ist es ja kein Zufall, dass es gerade eine Anwältin trifft: Denn ohne den engagierten und mutigen Beistand weiblicher Anwälte wären in den letzten 20 Jahren Frauen im Kampf um ihr Recht noch mehr der Männergesellschaft ausgeliefert gewesen.
Und die Polizei? Die zählt und verwaltet brav ihre Toten - ob Frau, ob Mann, das macht bei ihr keinen Unterschied. Beim BKA, wo alle Morde der Republik statistisch gesammelt und ausgewertet werden, kann man noch nicht einmal feststellen, wie viele Frauen von Männern umgebracht werden. Es ist immer der Initiative von einzelnen Beamten - und vor allem Beamtinnen! - zu verdanken, wenn in Städten wie Wiesbaden Frauenmorde allgemein und „Sexualmorde" im besonderen aufgeführt werden. Ingrid Clouth, Chefin des Sittendezernats in Köln: „Wenn ich mich nicht dafür stark gemacht hätte, würden wir bis jetzt noch nicht mal die Beziehungstaten einzeln aufführen."
Seit zehn Jahren kämpft die Chefin der Kölner „Sitte" um einen eigenen Computer, bislang erfolglos. Und in der EDV der Kollegen ist für die Sparte „Frauenmorde" angeblich „kein Speicherplatz". Für die gestohlenen Autos reicht der Speicherplatz auf der Festplatte, für die ermordeten Frauen nicht. Doch genug geklagt. Jetzt wird gehandelt!
„Dem Frauenhass keine Chance!" (Die Jusos). „ Ein runder Tisch zum Abbau von Frauenhass" (Kölner Bürger). „Den Frauenhassstrom stoppen. Menschenrechte für alle." (Die Grünen). Oder: „Helfen Sie mit, dass Frauenhass und sexistisches Gedankengut nicht wieder salonfähig werden: Widersprechen Sie den gängigen frauenfeindlichen Vorurteilen. Hören Sie nicht weg, wenn sexistische Witze erzählt werden. Sagen Sie, dass Sie das nicht komisch finden und erklären Sie, was Sie dagegen haben."
Hier sind Bürgerinnen solidarisch. Zwar nicht mit Frauen, aber immerhin schon mal mit Fremden, Denn überall, wo EMMA das Wort „Frauen" oder „sexistisch" eingesetzt hat, steht in Wahrheit „Fremden" oder „rassistisch". Beruhigend, dass es auch Deutsche gibt, die sich dem steigenden Fremdenhass entgegenstellen. Zeit, dass Deutsche endlich auch dem Frauenhass wehren! Jeder Mann, der sich nicht klar von den Frauenhassern distanziert, gehört dazu. Jeder Mann, der tatenlos zusieht, wenn Frauen benachteiligt, belästigt oder misshandelt werden, macht sich mitschuldig. Jede Frau, die nicht solidarisch mit einer benachteiligten, beleidigten oder bedrohten Frau ist, spielt das Spiel der Frauenhasser. Frauenhass darf nicht länger salonfähig sein. Denn Frauenhass ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Den Hassstrom stoppen. Den Hass der weißen Herrenmenschen gegen alles, was anders und schwächer ist als sie: gegen die Fremden, gegen die Frauen, gegen die Kinder.
Es gibt vieles, was wir uns dazu einfallen lassen könnten. Wie wär´s mit anfangen?