Wie soll ich es meiner Tochter sagen?
In der Wahlnacht saß ich zwischen meiner 68-jährigen Mutter und meiner sechsjährigen Tochter vor dem Fernseher, in der Erwartung dabei zuzusehen, wie die erste Frau ins Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird. Wir hatten Champagner gekauft und Kuchen, und ich hatte Layla versprochen, dass sie so lange aufbleiben darf, wie sie will. Schließlich schlief meine Tochter auf der Couch ein, immer noch in ihrem T-Shirt, das mit „Feminist“- und „Ich habe gewählt!“-Aufklebern geschmückt war.
Am nächsten Morgen musste ich Layla erklären, dass Hillary Clinton verloren hatte, dass der Präsident keine Frau sein würde. Und noch schwieriger: Ich musste ihr erklären, warum Donald Trump gewonnen hatte. Ein Mann – einer, den sie als Rüpel kennt, der Fürchterliches über Frauen, Menschen mit Behinderung und Immigranten sagt; einer, der damit herumprahlt, wie er Menschen verletzt und Familien trennt – so ein Mann wird nun ihr Land führen.
Ich musste meiner Tochter erklären, dass Hillary Clinton verloren hatte
In der Wahlnacht wurde mir das Herz schwer, weil ich um mein Land bangte. Am nächsten Morgen aber wurde es mir schwer, weil ich an meine Tochter dachte.
Sie wachte in einem völlig veränderten Amerika auf. In einem Amerika, in dem ein Lügner und Rassist, ein Menschenhasser und ein frauenbelästigender Serientäter uns anführen wird. Sie ist an einem Ort aufgewacht, der Fortschritt kategorisch abgelehnt hat; in einem Land, in dem ein Mann zugeben kann, dass er Frauen sexuell belästigt hat und Millionen von Stimmen gewinnt, nicht obwohl – sondern weil er es getan hat.
Ich habe mir immer Sorgen darüber gemacht, was ich meiner Tochter weitergeben werde, am meisten aber sorgte ich mich um die Bürde, die sie allein deshalb tragen muss, weil sie in einer sexistischen Welt aufwächst. Wie soll ich ihr erklären, wie viele – und wie heftig - Frauen verletzt wurden durch den Sexismus, der sie umgibt? Und wie soll ich ihr die Angst davor nehmen, dass es ihr Schicksal ist, auf die ein oder andere Weise das Gleiche zu erleben?
Meine Mutter heiratete mit 17, sie wuchs in einer Zeit auf, als Verhütung illegal war. Erst in ihren 20ern konnte sie einen Kredit aufnehmen, ohne dass ein Mann ihren Antrag mitunterzeichnete. Ich bin 1978 geboren, fünf Jahre nachdem Abtreibung legalisiert wurde. Und ich war in der High School, als die Vergewaltigung in der Ehe endlich als Straftat anerkannt wurde. Die Vorstellung, dass die Lage für uns Frauen nach und nach besser wird, hat mich immer getröstet: Denn so würde es meiner Tochter besser gehen als mir. Aber diese Hoffnung hat sich zerschlagen. Zumindest an diesem Wahltag.
Als ich meine Tochter schließlich ins Bett brachte, flüsterte ich ihr zu, dass es mir leid tut. Es tut mir unendlich leid, dass ich unterschätzt hatte, wie sexistisch und rassistisch unser Land wirklich ist. Ich habe zugelassen, dass mich die letzten paar Jahre eines wirkmächtiger werdenden Feminismus - dieser Wimpernschlag der Geschichte - dazu gebracht hat zu glauben, dass die Dinge sich geändert haben. Es war ein verführerischer Gedanke – aber leider ein falscher.
Es hatte mich getröstet, dass die Lage für uns Frauen immer besser zu werden schien
Die Wahrheit ist, dass dieses schändliche Wahlergebnis der Backlash war, so klar und so einfach, eine Reaktion auf die zunehmende Gleichberechtigung der Frauen, auf den Fortschritt bei der Überwindung des Rassismus und auf die kulturelle Veränderung dahin, dass nicht länger heterosexuelle weiße Männer im Mittelpunkt stehen. Es wurde gewählt auf der Basis von Angst, Engstirnigkeit und Abscheulichkeit. Und es gibt keinen Zuckerguss, der diese Realität überdecken könnte. Noch nicht einmal für eine Sechsjährige.
Ich weiß, dass ich die richtigen Worte finden werde, um meiner Tochter den Ernst der Lage nach dieser Wahl zu übermitteln, ohne sie zu ängstigen. Ich vertraue darauf. Ihr Vater und ich werden ihr sagen, dass Menschen manchmal schlechte Entscheidungen treffen und manchmal die falschen Leute als Führer ausgesucht werden. Wir werden sie an die Lektionen erinnern, die sie in der Schule über die Geschichte ihres Landes gelernt hat, als wir schon einmal das Falsche getan haben – fürchterlich Falsches. Und wir werden sie daran erinnern, dass es damals gute Leute gab, die sich organisiert und gekämpft haben, die sich gegenseitig mit Liebe und Respekt begegnet sind und daran glaubten, dass die Dinge sich ändern werden.
Wir werden ihr sagen, dass jetzt wir diese guten Leute sein müssen, diejenigen, die kämpfen. Und bald schon, wenn wir die Gelegenheit hatten zu trauern und uns zu sammeln, werden wir unsere Tochter daran erinnern, dass dieser Mann auch deshalb gewählt worden ist, weil wir so stark sind. Dass unsere Kraft ihn und andere geängstigt hat, die für Veränderung noch nicht bereit waren. Und dass wir es uns und unserem Land schuldig sind, dass wir uns von unserer Angst nicht aufhalten lassen. Niemals.
Jessica Valenti
Der Text erschien zuerst im Guardian.